
DMZ – UMWELT ¦ Sarah Koller ¦
KOMMENTAR
Am Montag, den 15. April, stiegen sechs Frauen in einer Kapsel des Raumfahrtunternehmens Blue Origin, das von Jeff Bezos gegründet wurde, in den Weltraum. Der Flug, der nach nur zehn Minuten in der Schwerelosigkeit endete und von der Öffentlichkeit als spektakulär inszeniert wurde, ist in vielerlei Hinsicht ein Paradebeispiel für die problematische Verquickung von kommerziellen Interessen und den dringenden Herausforderungen, vor denen die Welt in Bezug auf den Klimawandel steht. Während Prominente wie Pop-Star Katy Perry und Bezos’ Verlobte Lauren Sánchez den Flug als glamourösen Erfolg feierten, stieß das Event in weiten Teilen der Gesellschaft auf massive Kritik.
Verschwendung von Ressourcen
Die Schauspielerin und Aktivistin Emily Ratajkowski sowie Regisseurin Olivia Wilde äußerten sich deutlich zu den ökologischen Implikationen der Mission. Wilde schrieb auf Instagram: „Eine Milliarde Dollar für ein paar Memes“, und Ratajkowski bezeichnete den Flug als „Verschwendung von Ressourcen“. Der enorm hohe Energieverbrauch und die CO2-Emissionen, die bei der Herstellung und dem Start von Raketen entstehen, sind gut dokumentiert. In einer Zeit, in der der Klimawandel die Welt mit immer drastischeren Auswirkungen herausfordert, wirken solche extravaganten Projekte wie eine fatale Umkehr der notwendigen Anstrengungen zur Bekämpfung dieser Krise.
Ein einzelner Raketenflug von Blue Origin könnte laut Schätzungen über 100 Tonnen CO2 ausstoßen – ein Wert, der die jährlichen Emissionen eines durchschnittlichen Autos weit übertrifft. Wenn man bedenkt, dass der Flug lediglich zehn Minuten dauerte und keinen wissenschaftlichen oder technologischen Mehrwert für die Menschheit brachte, muss man sich fragen, ob dieser Aufwand wirklich gerechtfertigt ist.
Die problematische Bezeichnung „Astronaut“
Ein weiterer Kritikpunkt an diesem Event war die Bezeichnung der Passagiere als „Astronauten“. Der Begriff, der traditionell für Fachleute reserviert ist, die jahrelange Schulung und umfangreiche wissenschaftliche Erfahrung durchlaufen haben, wurde in diesem Fall weit überspannt. Viele User auf Social Media reagierten mit Unverständnis darüber, dass die Medien und Blue Origin die Passagiere als „Astronautinnen“ bezeichneten. Ein Kommentar auf X (ehemals Twitter) lautete: „Das sind keine Astronautinnen oder eine Crew. Sie so zu nennen, ist eine Beleidigung für alle echten Astronauten, die Wissenschaftler sind.“
Diese Etikettierung könnte nicht nur die eigentliche Bedeutung der Arbeit von Wissenschaftler*innen und Ingenieuren in der Raumfahrt verwässern, sondern auch den Kern der Raumfahrt selbst entwerten. Wenn ein Weltraumflug nur noch als Marketing-Event verkauft wird, statt als wissenschaftliche oder technologische Errungenschaft, muss man sich fragen, ob solche Missionen überhaupt noch gerechtfertigt sind.
Öffentlichkeitswirksamkeit statt echter Bedeutung
Jeff Bezos, der bereits mit Amazon eines der größten und umstrittensten Wirtschaftsunternehmen der Welt aufgebaut hat, nutzt Blue Origin zunehmend als Plattform für seine persönlichen Träume und Öffentlichkeitsarbeit. Der Weltraumflug war stark inszeniert – vom spektakulären Kuss von Katy Perry auf den Boden der Erde bis hin zu einer breiten medialen Begleitung. Diese Inszenierung lässt den Eindruck entstehen, dass es weniger um echte wissenschaftliche Innovationen geht, sondern um die Steigerung des persönlichen Markenwertes von Bezos und seinen Mitstreitern.
Für viele Beobachter wird dieser Flug immer mehr zu einem Paradebeispiel für die zunehmende Kommerzialisierung des Weltraums und die leere Ausnutzung eines großartigen wissenschaftlichen Erbes für kommerzielle Zwecke.
Fazit: Ein schlechtes Zeichen für den Fortschritt
Der Flug von Blue Origin wirft grundlegende ethische und umweltpolitische Fragen auf. In einer Welt, die dringend Maßnahmen gegen den Klimawandel und die Ressourcenkrise benötigt, wirken solche Privatflüge als Symbol für den verschwenderischen Umgang mit natürlichen Ressourcen und die Fokussierung auf kurzfristige Öffentlichkeitswirksamkeit statt auf nachhaltige Lösungen. Sollte der Weltraum wirklich für solche oberflächlichen Schauspiele genutzt werden, wenn gleichzeitig dringende Maßnahmen notwendig sind, um die Erde zu retten?
Es bleibt zu hoffen, dass zukünftige Weltraumprojekte nicht nur kommerziellen Interessen dienen, sondern einen echten Nutzen für die Menschheit und unseren Planeten bringen. Ein echter Fortschritt in der Raumfahrt sollte im öffentlichen Interesse und unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeit und Wissenschaft erreicht werden – nicht als Mittel zum Zweck einer persönlichen Markenbildung.
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