
DMZ – JUSTIZ ¦ Sarah Koller ¦
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zeigt sich in Teilen der politischen Rechten in Europa und den USA ein bemerkenswertes Phänomen: ideologische Orientierungslosigkeit. Einst vereint im Lob auf "starke Männer" wie Wladimir Putin und Donald Trump, gerät das rechte Lager zunehmend in einen Zielkonflikt. Wer heute nationalkonservativ, EU-skeptisch oder gegen das „Establishment“ auftritt, steht vor der Frage: Auf wessen Seite stehen wir eigentlich – auf der von Trump oder auf der von Putin?
Eine Allianz der Anti-Liberalen
Lange Zeit galten Putin und Trump vielen rechten Akteuren als geistige Verbündete. Beide inszenieren sich als Gegenentwurf zu liberalen Demokratien, propagieren eine Politik der nationalen Stärke, vertreten konservative Familienbilder und geben sich als Gegner westlicher Eliten und Institutionen. In Europa bewunderten zahlreiche Rechtspopulisten – von der AfD bis zum Rassemblement National – Putins autoritären Führungsstil, seine Ablehnung „westlicher Dekadenz“ und seine Nähe zur russisch-orthodoxen Kirche.
Mit Donald Trump kam eine zweite Figur ins Spiel, die insbesondere in den USA, aber auch international, als Bannerträger des nationalistischen Rechtspopulismus gefeiert wurde. Während seiner Amtszeit zeigte sich Trump auffällig freundlich gegenüber dem Kreml. Seine wiederholten Zweifel an der NATO, die Herabwürdigung der EU und die Weigerung, sich klar von Russland zu distanzieren, wurden in rechten Kreisen oft als Ausdruck „echter Realpolitik“ gewertet.
Zeitenwende mit Kriegsbeginn
Doch mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 geriet diese vermeintliche Achse ins Wanken. Putins Angriffskrieg widerspricht dem Selbstbild vieler europäischer Rechter als Verteidiger nationaler Souveränität – zumal es sich bei der Ukraine um einen souveränen Staat handelt, dessen Existenzrecht vom Kreml in Frage gestellt wird.
Zugleich wird die politische Rechte mit dem Dilemma konfrontiert, zwischen zwei Symbolfiguren zu wählen, deren Positionen nicht mehr vollständig kompatibel sind. Während viele rechte Parteien in Europa – aus realpolitischen Gründen – ihre russlandfreundliche Rhetorik abgeschwächt oder eingestellt haben, hält Trump weiterhin an einer uneindeutigen Haltung gegenüber Moskau fest.
In einem vielbeachteten Interview erklärte Trump jüngst, er könne den Ukrainekrieg „in 24 Stunden beenden“ – ohne jedoch zu sagen, wie. Beobachter sehen darin ein mögliches Signal, dass er im Falle einer Wiederwahl zu einem russlandfreundlichen Kurs zurückkehren könnte. Diese Unklarheit verunsichert rechte Parteien in Europa zusätzlich.
Zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Das Spannungsfeld zeigt sich exemplarisch an der AfD. Während führende Parteifunktionäre wie Tino Chrupalla und Alice Weidel teils Verständnis für Russland signalisieren und westliche Sanktionen kritisieren, wächst zugleich innerhalb der Partei die Erkenntnis, dass eine offene Parteinahme für den Aggressor politisch riskant ist. In Frankreich hat Marine Le Pen ihre Kontakte zum Kreml deutlich zurückgefahren, seitdem deren politischer Preis mit dem Krieg gestiegen ist.
In den USA wiederum sorgt Trumps Rhetorik gegenüber der NATO und seine Ankündigung, Verbündete bei einem russischen Angriff möglicherweise im Stich zu lassen, selbst unter republikanischen Außenpolitikern für Unbehagen. Eine klare geopolitische Linie ist aus dem republikanischen Lager derzeit kaum zu erkennen.
Eine neue ideologische Leerstelle
Die aktuelle Lage offenbart ein tieferes strukturelles Problem: Die politische Rechte, die sich lange über Anti-Globalismus und autoritäre Sympathien definierte, hat keinen konsistenten außenpolitischen Kompass. Der Ukrainekrieg hat das Koordinatensystem der Rechten erschüttert. Putins aggressive Machtpolitik widerspricht dem nationalstaatlichen Selbstverständnis vieler Rechter; Trumps erratische Aussagen lassen keine stabile Orientierung zu.
Was bleibt, ist ein Vakuum. Rechte Parteien stehen vor der Herausforderung, ihr Verhältnis zu globalen Konflikten und autoritären Regimen neu zu definieren – ohne dabei den Rückhalt ihrer Wählerbasis zu verlieren. Der geopolitische Pragmatismus, den sie sich gerne zuschreiben, wird so zum Spagat zwischen Moral, Macht und Meinung.
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