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Post-COVID belastet stärker als Asthma und COPD

DMZ – FORSCHUNG ¦ Lena Wallner ¦

 

Psychosomatische Belastung bei Post-COVID stärker als bei Asthma oder COPD – Neue Studie zeigt weitreichende Folgen für Lebensqualität

 

Post-COVID-Patient:innen leiden deutlich stärker unter psychosomatischen Beschwerden als Menschen mit Asthma oder COPD. Eine aktuelle Studie aus einer Rehabilitationsklinik belegt: Die somatische Belastungsstörung (Somatic Symptom Disorder, SSD) wirkt sich bei Post-COVID-Betroffenen gravierender auf den Alltag aus als bei anderen chronischen Atemwegserkrankungen. Die Autor:innen fordern Konsequenzen für Diagnostik und Therapie.

 

In einer Querschnittsstudie, publiziert in der Fachzeitschrift Scientific Reports (April 2025), untersuchte ein Team um den Allgemeinmediziner Prof. Antonius Schneider von der Technischen Universität München die Zusammenhänge zwischen somatischer Belastung, Angst, Depression und Einschränkungen im Alltag bei insgesamt 371 Patient:innen einer pneumologischen Rehabilitationsklinik. 161 der Teilnehmenden litten an einem Post-COVID-Syndrom (PCS), 121 an Asthma, 89 an chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD).

 

Stärkster Einfluss bei Post-COVID durch somatische Belastung

Besonders auffällig: Die somatische Belastungsstörung hatte bei den PCS-Patient:innen einen deutlich stärkeren Zusammenhang mit der Alltagsbeeinträchtigung (Odds Ratio 13,8) als bei den Gruppen mit Asthma (8,5) oder COPD (nicht signifikant). Während bei Asthma vor allem Angststörungen (ermittelt mit dem GAD-7-Fragebogen) und bei COPD depressive Symptome (gemessen mit dem PHQ-9) die stärksten Prädiktoren für Einschränkungen waren, stand bei PCS die somatische Belastung im Vordergrund.

 

Auch die typischen PCS-Symptome – Fatigue, kognitive Einschränkungen und Atemnot – waren signifikant mit Einschränkungen des täglichen Lebens (DLI) assoziiert. Doch die Analyse zeigte, dass SSD bei PCS eine noch größere Rolle spielte. Die Befunde lassen den Schluss zu, dass PCS-Betroffene sich intensiver mit ihren körperlichen Symptomen auseinandersetzen – vermutlich auch, weil viele Beschwerden medizinisch bislang nur unzureichend erklärt werden können.

 

Psychosoziale Versorgung bislang unzureichend

Das Team um Schneider sieht dringenden Handlungsbedarf: „Die psychosoziale Belastung bei Post-COVID wird noch immer unterschätzt“, heißt es in der Publikation. Insbesondere somatische Belastungsstörungen sollten bei der Rehabilitationsplanung stärker berücksichtigt werden. Denn die Studie zeigt, dass der Einfluss von SSD auf das tägliche Leben bei PCS größer ist als bei etablierten chronischen Erkrankungen wie Asthma oder COPD – obwohl Post-COVID-Patient:innen im Durchschnitt rund zehn Jahre jünger waren.

 

Im Vergleich zu anderen Patientengruppen berichteten die PCS-Betroffenen über die niedrigste Lebensqualität: Der gemessene EQ-5D-5L-Score lag bei 0,64 – deutlich unter dem Durchschnitt vergleichbarer Studien mit Asthma (0,82) und COPD (0,68–0,70). Parallel dazu waren depressive und ängstliche Symptome bei der PCS-Gruppe signifikant häufiger.

 

Lungenfunktion zweitrangig bei PCS

Ein weiteres zentrales Ergebnis: Während bei Asthma und COPD die eingeschränkte Diffusionskapazität der Lunge mit der Alltagsbeeinträchtigung korrelierte, spielte dieser Parameter bei PCS keine signifikante Rolle. Die Befunde deuten darauf hin, dass organische Einschränkungen bei PCS in den Hintergrund treten – und psychosomatische Faktoren stärker gewichtet werden müssen.

 

„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass sich PCS nicht allein mit klassischen medizinischen Parametern erfassen lässt“, betont Ko-Autor Alexander Hapfelmeier. „Die Einbindung psychosomatischer Diagnostik und Therapieangebote ist entscheidend.“

 

Interdisziplinäre Therapieansätze gefordert

Die Studie empfiehlt eine stärkere Integration psychotherapeutischer Maßnahmen in die Behandlung chronischer Lungenerkrankungen. Dabei sollten die psychischen Belastungsmuster krankheitsspezifisch adressiert werden: etwa ein Fokus auf Angststörungen bei Asthma und auf SSD bei PCS. Die stationäre pneumologische Rehabilitation biete mit ihrem multiprofessionellen Ansatz ideale Voraussetzungen für eine solche ganzheitliche Versorgung.

 

Zwar erlaubt die Querschnittsstudie keine kausalen Aussagen – doch sie verdeutlicht eindrücklich, dass insbesondere bei Post-COVID psychosoziale Faktoren eine Schlüsselrolle für das Erleben und die Bewältigung der Erkrankung spielen. „Eine bessere Versorgung dieser Patientengruppe kann nur gelingen, wenn somatische und psychische Aspekte gemeinsam betrachtet werden“, heißt es im Fazit der Forschenden.

 

Fazit

Die Studie liefert ein starkes Argument dafür, psychosomatische Störungen wie SSD bei Post-COVID systematisch zu diagnostizieren und zu behandeln. Während die medizinischen Ursachen vieler Langzeitfolgen von COVID-19 noch ungeklärt sind, zeigt sich klar: Die subjektive Belastung ist hoch, und sie lässt sich nicht allein durch organische Befunde erklären. Eine ganzheitliche Sicht auf die Erkrankung und individualisierte, interdisziplinäre Therapieansätze sind essenziell, um Betroffene wirksam zu unterstützen.

 

 

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