
DMZ – POLITIK ¦ Sarah Koller ¦
KOMMENTAR
Ein Grundprinzip der amerikanischen Demokratie steht auf dem Spiel: das Haushaltsrecht des Kongresses. Während Donald Trump und Elon Musk versuchen, dieses Fundament der Gewaltenteilung zu untergraben, bleibt die Frage, wer sie daran hindern kann.
Manchmal schleichen sich Verfassungskrisen langsam heran, manchmal treten sie unverhohlen zutage. In diesem Fall zeigt sich die Bedrohung überdeutlich. Elon Musk, dem Trump die Kontrolle über entscheidende Budgetentscheidungen überlassen hat, inszeniert sich als revolutionärer Retter. "Dies ist die einzige Chance, die das amerikanische Volk hat, um die Bürokratie zu besiegen und die Demokratie wiederherzustellen", schrieb Musk um 3:59 Uhr auf seiner Social-Media-Plattform X. Die Botschaft ist eindeutig: Er fordert weitreichende Befugnisse, um eine nicht näher definierte Krise zu bekämpfen.
Doch warum ist diese Umstrukturierung des Bundeshaushalts so dringend? Falls es wirklich um Misswirtschaft und Betrug geht, könnte der Kongress Gesetze zur Reform der betroffenen Programme verabschieden. Stattdessen jedoch agiert Musk mit einer kleinen Gruppe von Technikern, die weder Erfahrung in der Regierung noch eine formale Entscheidungsbefugnis besitzen. Berichten zufolge arbeitet er aus dem Eisenhower-Gebäude heraus und verfolgt eine undurchsichtige Agenda, die er mit vagen Andeutungen über "marxistische Verschwörungen" begründet.
Die strukturellen Schwächen des Systems
Diese Entwicklung offenbart eine grundlegende Schwäche des US-Verfassungssystems: Die Gründerväter hatten nicht vorhergesehen, dass politische Parteien eine solch zentrale Rolle einnehmen würden. Statt dass sich die drei Gewalten gegenseitig kontrollieren, ordnen sich viele republikanische Abgeordnete mittlerweile Trumps Interessen unter, aus Angst vor politischen Konsequenzen. Das bedeutet, dass der Kongress kaum Widerstand leistet, obwohl Musk die Befugnis zur Haushaltskontrolle an sich reißt.
Sollten Trump und Musk Erfolg haben, würde dies das politische Gleichgewicht dauerhaft verschieben. Der Kongress könnte zwar weiterhin eine Obergrenze für Ausgaben festlegen, doch der Präsident könnte einseitig kürzen, ohne dass Abgeordnete politische Verantwortung tragen müssten. Ein solches System würde konservativen Hardlinern ermöglichen, Staatsausgaben massiv zu senken, ohne dass sie dafür zur Rechenschaft gezogen würden.
Einige konservative Experten haben Musks Vorstoß bereits als verfassungswidrig kritisiert, darunter der Haushaltsexperte Brian Riedl vom Manhattan Institute und der Juraprofessor Jack Goldsmith. Doch die Mehrheit der republikanischen Politiker hält sich entweder bedeckt oder unterstützt das Vorhaben stillschweigend. Senator Thom Tillis aus North Carolina gestand zwar ein, dass Musks Handeln "nicht streng verfassungskonform" sei, erklärte aber gegenüber der Nachrichtenplattform NOTUS, dass sich "niemand darüber beklagen sollte".
Ein System im rechtsfreien Raum
Besonders alarmierend ist die intransparente Art und Weise, in der Musk vorgeht. Laut Recherchen des Magazins Wired hat sein Team Zugang zum Zahlungsverkehr des Finanzministeriums erhalten und dabei langjährige Beamte beiseitegedrängt. Die demokratische Opposition vermutet Gesetzesverstöße, kann diese aber kaum nachweisen, da es keine effektive Kontrolle gibt. Zugleich hat Musk signalisiert, dass er sich nicht um rechtliche Konsequenzen scheren muss. Trump hat bereits gezeigt, dass er bereit ist, Gesetzesbrüche seiner Unterstützer zu entschuldigen, wie die massenhaften Begnadigungen der Kapitolstürmer vom 6. Januar verdeutlichen.
Musks zunehmend autoritäres Gebaren zeigt sich auch in seinem Umgang mit Kritik. Die US-Entwicklungshilfebehörde USAID bezeichnete er als "kriminelle Organisation", und nachdem ein X-Nutzer die Namen seiner engen Mitarbeiter veröffentlicht hatte, behauptete Musk, dieser habe "eine Straftat begangen". Der Nutzer wurde daraufhin gesperrt. Tatsächlich ist die Berichterstattung über politische Entscheidungsträger durch den Ersten Verfassungszusatz geschützt. Dennoch erhält Musk juristische Rückendeckung von Edward R. Martin Jr., einem früheren "Stop the Steal"-Aktivisten, den Trump als US-Staatsanwalt für den District of Columbia installiert hat. Martin verbreitete auf X vage Drohungen gegen Journalisten, die Musks Handeln hinterfragen.
Die entscheidende Rolle der Justiz
Ob Trump und Musk mit diesem Angriff auf die Gewaltenteilung durchkommen, wird letztlich von den Gerichten entschieden. Wahrscheinlich wird der Oberste Gerichtshof den Kongress in seiner Budgethoheit bestätigen. Doch das hängt davon ab, wie fünf konservative Richter die Verfassung auslegen – und einige von ihnen haben in der Vergangenheit bereits Entscheidungen getroffen, die kaum juristisch haltbar waren.
Unabhängig von der Rechtslage scheint Musk darauf zu setzen, dass er Institutionen schneller zerschlagen kann, als sie wieder aufgebaut werden können. Werden Programme abrupt gestrichen, verlieren Millionen Menschen ihre finanzielle Sicherheit, Regierungsbeamte werden in Angst und Unsicherheit versetzt, und wertvolles institutionelles Wissen geht verloren. Dieser Mechanismus des "schnellen Zerfalls" könnte es Musk ermöglichen, Tatsachen zu schaffen, bevor juristische Gegenmaßnahmen greifen.
Ein geordnetes Verfahren, um den Bundeshaushalt neu zu gestalten, würde ganz anders aussehen. Doch ein solches Verfahren existiert nicht. Stattdessen haben sich Trump und Musk diese Macht selbst zugesprochen. Die dringendste Herausforderung besteht darin, diese Befugnisse dem Kongress zurückzugeben, bevor der Schaden unumkehrbar wird.
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