
DMZ – JUSTIZ ¦ Sarah Koller ¦
In Deutschland fühlen sich viele Menschen zunehmend unsicher, obwohl die tatsächliche Kriminalitätslage diesem Eindruck nicht entspricht. Während die Kriminalitätsstatistiken zeigen, dass sich die Sicherheitslage über die Jahre nicht dramatisch verschlechtert hat, bleibt das Unsicherheitsgefühl vieler Bürger hartnäckig bestehen. Warum also weicht die gefühlte Sicherheit so stark von der Realität ab? Die Antwort darauf ist vielschichtig und reicht von medialer Berichterstattung bis hin zu politischen Einstellungen.
Wahrnehmung und Realität klaffen auseinander
Studien zeigen, dass das subjektive Sicherheitsempfinden oft wenig mit der tatsächlichen Kriminalitätsrate zu tun hat. Selbst in Zeiten sinkender Straftaten berichten Menschen von wachsender Unsicherheit. Während der Corona-Pandemie etwa gingen viele Deliktarten messbar zurück – doch an der verbreiteten Angst vor Kriminalität änderte sich kaum etwas.
Ein wichtiger Faktor ist die menschliche Neigung, Risiken durch mediale Präsenz überzubewerten. Besonders Gewaltverbrechen und spektakuläre Fälle erhalten überproportionale Aufmerksamkeit, was den Eindruck verstärkt, dass solche Vorfälle alltäglich seien. Wer regelmäßig Berichte über brutale Übergriffe liest oder entsprechende Videos in sozialen Netzwerken sieht, könnte fälschlicherweise annehmen, dass diese Gewalt auch im eigenen Umfeld zunimmt – selbst wenn die Statistiken das Gegenteil belegen.
Medien, soziale Netzwerke und das persönliche Umfeld
Die Art, wie Kriminalität medial vermittelt wird, prägt unser Sicherheitsempfinden maßgeblich. In Zeiten digitaler Medien, in denen Nachrichten rund um die Uhr verfügbar sind, erreichen besonders aufsehenerregende Kriminalfälle eine enorme Reichweite. Dadurch entsteht der Eindruck, dass Gewaltverbrechen allgegenwärtig seien. Zudem tendieren Menschen dazu, sich in sozialen Netzwerken in Filterblasen zu bewegen, in denen bestimmte Narrative verstärkt werden – darunter auch übertriebene Darstellungen einer angeblich eskalierenden Kriminalität.
Aber nicht nur Medien beeinflussen das Unsicherheitsgefühl. Auch das soziale Umfeld spielt eine Rolle. Wer selbst in einem als sicher geltenden Stadtteil lebt oder positive Erfahrungen mit der Polizei gemacht hat, nimmt die Lage oft gelassener wahr als jemand, der solche Erfahrungen nicht hat. Interessanterweise neigen Menschen, die bestimmte Orte meiden, eher dazu, diese als gefährlich einzustufen – auch wenn ihre Einschätzung auf Annahmen statt auf realen Erlebnissen basiert.
Politische Überzeugungen formen das Sicherheitsgefühl
Neben persönlichen Erfahrungen beeinflusst auch die politische Orientierung, wie Menschen Kriminalität wahrnehmen. Besonders konservativ eingestellte Personen oder Anhänger populistischer Strömungen neigen dazu, Kriminalität als zunehmendes Problem wahrzunehmen – unabhängig davon, ob die Zahlen dies belegen. Studien zeigen, dass rechte Wähler besonders häufig die Angst äußern, selbst Opfer einer Straftat zu werden. Diese Sorgen beeinflussen wiederum das Verhalten: Wer überzeugt ist, dass bestimmte Gegenden unsicher sind, meidet diese – und verfestigt damit seine eigene Wahrnehmung.
Tatsächliche Kriminalitätsentwicklung in Deutschland
Laut der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) für 2023 stieg die Zahl der registrierten Straftaten um 5,5 Prozent auf über 5,94 Millionen Fälle. Gleichzeitig erhöhte sich die Aufklärungsquote um 1,1 Prozentpunkte auf 58,4 Prozent. Trotz dieser Entwicklung bleibt Deutschland eines der sichersten Länder weltweit.
Vergleicht man die Zahlen historisch, zeigt sich, dass die Kriminalitätsrate weiterhin niedriger ist als in den 1990er Jahren, als 1993 etwa 6,7 Millionen Straftaten erfasst wurden. Das Bundeskriminalamt führt derzeit mit den Landespolizeien die bundesweite Studie "Sicherheit und Kriminalität in Deutschland 2024" (SKiD 2024) durch, um das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung noch besser zu verstehen.
Warum Unsicherheit ernst genommen werden muss
Die Angst vor Kriminalität hat konkrete Folgen. Wer aus Furcht bestimmte Orte meidet, schränkt seine persönliche Freiheit ein. Zudem kann ein gesellschaftliches Klima der Angst das Vertrauen in Polizei und Justiz untergraben. Eine zunehmende Unsicherheit führt oft zu Forderungen nach härteren Strafen – doch ob solche Maßnahmen tatsächlich das Sicherheitsgefühl verbessern, ist fraglich.
Darüber hinaus kann eine übersteigerte Kriminalitätsfurcht Vorurteile verstärken. Menschen, die überzeugt sind, dass die Kriminalität steigt, neigen dazu, bestimmte Gruppen als vermeintliche Ursache zu sehen. Das kann zu gesellschaftlicher Spaltung und Diskriminierung beitragen – Entwicklungen, die für den gesellschaftlichen Zusammenhalt problematisch sind.
Wie sich das Sicherheitsgefühl verbessern lässt
Wie kann man das Sicherheitsempfinden in der Bevölkerung nachhaltig stärken? Eine stärkere Polizeipräsenz kann in manchen Fällen beruhigend wirken, doch für andere Menschen hat sie den gegenteiligen Effekt. Wichtig ist daher eine sachliche Debatte, die auf Fakten basiert, anstatt auf Emotionen oder politischen Interessen.
Populistische Rhetorik und Angstmache helfen niemandem. Stattdessen braucht es ein gestärktes Vertrauen in staatliche Institutionen, eine transparente Berichterstattung und präventive Maßnahmen, die nicht nur Kriminalität bekämpfen, sondern auch das Sicherheitsgefühl in der Gesellschaft fördern. Nur so lässt sich die Kluft zwischen Statistik und subjektivem Empfinden langfristig überbrücken.
Fehler- und Korrekturhinweise
Wenn Sie einen Fehler entdecken, der Ihrer Meinung nach korrigiert werden sollte, teilen Sie ihn uns bitte mit, indem Sie an intern@mittellaendische.ch schreiben. Wir sind bestrebt, eventuelle Fehler zeitnah zu korrigieren, und Ihre Mitarbeit erleichtert uns diesen Prozess erheblich. Bitte geben Sie in Ihrer E-Mail die folgenden Informationen sachlich an:
- Ort des Fehlers: Geben Sie uns die genaue URL/Webadresse an, unter der Sie den Fehler gefunden haben.
- Beschreibung des Fehlers: Teilen Sie uns bitte präzise mit, welche Angaben oder Textpassagen Ihrer Meinung nach korrigiert werden sollten und auf welche Weise. Wir sind offen für Ihre sinnvollen Vorschläge.
- Belege: Idealerweise fügen Sie Ihrer Nachricht Belege für Ihre Aussagen hinzu, wie beispielsweise Webadressen. Das erleichtert es uns, Ihre Fehler- oder Korrekturhinweise zu überprüfen und die Korrektur möglichst schnell durchzuführen.
Wir prüfen eingegangene Fehler- und Korrekturhinweise so schnell wie möglich. Vielen Dank für Ihr konstruktives Feedback!
Unterstützen Sie uns jetzt!
Seit unserer Gründung steht die DMZ für freien Zugang zu Informationen für alle – das ist unser Alleinstellungsmerkmal. Wir möchten, dass jeder Mensch kostenlos faktenbasierte Nachrichten erhält, und zwar wertfrei und ohne störende Unterbrechungen.
Unser Ziel ist es, engagierten und qualitativ hochwertigen Journalismus anzubieten, der für alle frei zugänglich ist, ohne Paywall. Gerade in dieser Zeit der Desinformation und sozialen Medien ist es entscheidend, dass seriöse, faktenbasierte und wissenschaftliche Informationen und Analysen für jedermann verfügbar sind.
Unsere Leserinnen und Leser machen uns besonders. Nur dank Ihnen, unserer Leserschaft, existiert die DMZ. Sie sind unser größter Schatz.
Sie wissen, dass guter Journalismus nicht von selbst entsteht, und dafür sind wir sehr dankbar. Um auch in Zukunft unabhängigen Journalismus anbieten zu können, sind wir auf Ihre Unterstützung angewiesen.
Setzen Sie ein starkes Zeichen für die DMZ und die Zukunft unseres Journalismus. Schon mit einem Beitrag von 5 Euro können Sie einen Unterschied machen und dazu beitragen, dass wir weiterhin frei berichten können.
Jeder Beitrag zählt. Vielen Dank für Ihre Unterstützung!