
DMZ – HISTORISCHES ¦ S. Koller
KOMMENTAR
Die Geschichte der Weimarer Republik ist ein bedrückendes Beispiel dafür, wie fragile Demokratien von innen heraus zerstört werden können. Der 5. März 1933 markiert einen Wendepunkt, der die politischen Weichen Deutschlands in Richtung Diktatur stellte. Doch diese Entwicklungen waren keine plötzlichen Ereignisse – sie waren das Ergebnis eines schrittweisen Erodierens demokratischer Prinzipien und einer gezielten Manipulation durch die Nationalsozialisten.
Bereits im Vorfeld der Reichstagswahlen hatten die Nationalsozialisten unter Adolf Hitler alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die Opposition zum Schweigen zu bringen. Mit der Repression gegen Kommunisten und Sozialdemokraten und einer beispiellosen Propagandamaschinerie sicherten sie sich einen Stimmenzuwachs auf 44 Prozent. Dass diese Wahl mit einer Beteiligung von 88 Prozent die höchste seit Gründung des Reichstags im Jahr 1871 war, zeigt eine tragische Ironie: Die demokratische Teilhabe diente hier nicht der Stärkung der Demokratie, sondern ihrer Zerschlagung.
Die letzten Atemzüge der Demokratie
Nach der Wahl waren die Ereignisse von beispielloser Radikalität geprägt. Politische Gegner wurden verfolgt, misshandelt und in sogenannte „Schutzhaft“ genommen – ein Euphemismus für willkürliche Verhaftungen ohne Anklage. Prominente Politiker wie Otto Wels oder Heinrich Held mussten ins Exil fliehen. Innerhalb weniger Wochen war die politische Landschaft der Weimarer Republik faktisch ausgelöscht.
Am 23. März 1933 traf sich der Reichstag im Kroll-Opernhaus, um über das Ermächtigungsgesetz abzustimmen. Diese Sitzung war jedoch keine demokratische Debatte mehr, sondern eine Farce. Die nationalsozialistischen Symbole dominierten den Raum, und SA- und SS-Truppen sorgten für eine Atmosphäre der Einschüchterung. Nur die Sozialdemokraten wagten es, geschlossen gegen das Gesetz zu stimmen, doch ihre Stimmen reichten nicht aus. Mit der Verabschiedung dieses Gesetzes übertrugen die Abgeordneten die legislative Gewalt an Hitler – der Todesstoß für die Weimarer Republik war damit gesetzt.
Ein Mahnmal für die Gegenwart
Die Entwicklung von 1933 ist eine eindringliche Mahnung für die Gegenwart. Die Nationalsozialisten haben es verstanden, demokratische Prozesse für ihre Zwecke zu missbrauchen. Dieses Vorgehen zeigt, dass Demokratien nicht unbedingt durch Putsche oder Revolutionen fallen müssen. Vielmehr können sie durch schleichende Aushöhlung von innen heraus zerstört werden. Diese historische Lektion ist aktueller denn je. Auch heute erleben wir weltweit eine zunehmende Polarisierung, den Angriff auf unabhängige Medien und die systematische Diskreditierung demokratischer Institutionen. Die Worte Otto Wels‘, der in seiner Rede gegen das Ermächtigungsgesetz den Mut hatte, die Prinzipien der Freiheit und Menschenwürde zu verteidigen, könnten kaum zeitgemäßer sein. Er sagte: „Kein Ermächtigungsgesetz gibt Ihnen die Macht, Ideen zu zerstören, die ewig und unzerstörbar sind.“
Doch Geschichte wiederholt sich nicht automatisch. Es liegt an uns, wachsam zu sein und unsere demokratischen Werte aktiv zu verteidigen. Wir müssen sicherstellen, dass nie wieder politische Akteure die Instrumente der Demokratie nutzen, um sie zu zerstören. Das Erbe der Weimarer Republik ist eine Verpflichtung – eine Verpflichtung zur Verteidigung von Freiheit, Gerechtigkeit und Menschenwürde.
Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit. Sie muss tagtäglich gepflegt und verteidigt werden.
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