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Die Trump-Doktrin

István Dobozi, ehemaliger Chef Ökonom der World Bank Washington DC
István Dobozi, ehemaliger Chef Ökonom der World Bank Washington DC

DMZ –INTERNATIONAL/István DoboziIstván Dobozi, ehemaliger Chef Ökonom der World Bank Washington DC

KOMMENTAR

 

Wie tickt Trump? Was kommt auf uns zu?

 

Viele Details über Trumps künftige Außenpolitik sind unbekannt. Diese werden sich wahrscheinlich im Laufe der Zeit entwickeln, insbesondere da Trump für seine Unberechenbarkeit und unerwartete Wendungen bekannt ist. Auf der Grundlage der Erfahrungen seiner ersten Präsidentschaft und seiner Aussagen wollen wir einen Blick darauf werfen, welche Prinzipien, Ziele und persönlichen Ambitionen Trumps Weltpolitik in den nächsten vier Jahren bestimmen werden.

 

In Trumps Augen sind Länder, die die USA ausnutzen, die eigentliche Ursache für die meisten Probleme Amerikas. Er wiederholt oft, dass die USA zum Verlierer auf der Welt geworden sind, weil sie alle beschützen, während ihnen durch unfaire Handelspraktiken Technologie und gut bezahlte Arbeitsplätze gestohlen würden. Und dass China Amerika buchstäblich vergewaltige.

 

Aggressiver Alleingang

Unter dem Slogan „America First“ verkündete Trump während seiner ersten Präsidentschaft seine außenpolitische Leitdoktrin, mit dem oben beschriebenen düsteren Weltbild im Hintergrund. Er betrachtet die Welt als Nullsummenspiel („wir gewinnen, sie verlieren“) und sein Hauptziel besteht in nichts anderem, als amerikanische Wirtschaftsinteressen weltweit durchzusetzen. Dabei betrachtet er alle Länder als konkurrierende, gewinnorientierte Unternehmen. Er ist davon überzeugt, dass die fundamentalen Interessen der USA Vorrang vor allen globalen Regeln und Verträgen haben. Der neugewählte Präsident lehnt jede Form von Multilateralismus, der Washington einengt, ab, er interessiert sich nicht für globale Probleme wie z.B. Klimawandel, Pandemiebekämpfung, u.Ä.

 

Trump hatte im Wahlkampf angekündigt, erneut aus dem Pariser Klimaabkommen auszusteigen und seine außenpolitischen Berater sprechen bereits von einem erneuten Ausstieg aus der WHO. Er hält die globale Erwärmung für einen liberalen Schwindel und will die USA durch eine weitere Steigerung der heimischen Öl- und Erdgasproduktion zu einer Energie-Supermacht machen. Die von der Biden-Regierung stark subventionierte Energiewende will er durch drastische Kürzung staatlicher Subventionen ausbremsen.

 

Wird sich Washington unter Trump auch aus der Welthandelsorganisation (WTO) zurückziehen, womit der ehemalige Präsident schon während seiner ersten Amtszeit liebäugelte? Kaum, denn eine Organisation, deren Mechanismen gelähmt sind und die sich in Richtung Bedeutungslosigkeit entwickelt, ist keineswegs in der Lage, Amerikas wirtschaftliche Souveränität einzuschränken. Und was ist mit der NATO, die Trump wegen den vielen Mitgliedstaaten als “Trittbrettfahrer” schon immer kritisiert hat? In acht der 32 Mitgliedstaaten – darunter zwei G7 Staaten, Kanada und Italien – liegt die Quote der Verteidigungsausgaben im Verhältnis zum BIP tatsächlich immer noch unter zwei Prozent.

 

Keine Außenpolitik ohne dominante Persönlichkeit

Die America First-Doktrin und die MAGA-Agenda (Make America Great Again) sind untrennbar mit Trumps eigenwilliger Persönlichkeit verbunden. Er ist davon überzeugt, dass ein starker Staat einen starken Führer braucht. Seit Reagan hätten die USA mit ihm zum ersten Mal jetzt wieder einen. Diese Wahrnehmung erklärt seinen an Neid grenzenden Respekt für Diktatoren wie Putin, Xi und Kim Jong-un. Für Trump hängt der Erfolg oder Misserfolg der Außenpolitik von der Stärke der Persönlichkeit des jeweiligen Führers ab und nicht von der Politik, die er verfolgt. Was andere an ihm kritisieren, nämlich Inkonsequenz, Unberechenbarkeit, Erpressung, Launenhaftigkeit, Bluffen – sieht Trump im Gegenteil als Grundlage für den Verhandlungserfolg.

 

All dies erklärt Trumps Vorliebe für bilaterale persönliche Diplomatie und seine starke Abneigung gegen multilaterale Foren – einschließlich Gipfeltreffen der G7, G20 und der NATO – deren Bedeutung für die amerikanische Diplomatie er während seiner ersten Amtszeit wiederholt heruntergespielt hat.

 

Ukraine

Trump weiß, dass Putin in der Ukraine strategisch viel mehr erreichen will, als sich nur bestimmte Gebiete einzuverleiben. Angesichts ihrer Erfolge auf dem Schlachtfeld sind die Russen auf dem Vormarsch. Was kann Trump tun, wenn Putin trotz seines Drucks den Krieg aktiv fortsetzt, in der Hoffnung, eine noch bessere Verhandlungsposition zu erlangen?

 

Ein Extremszenario ist deshalb nicht ausgeschlossen: Trump spielt Madman, dreht durch und erpresst Putin, indem er seine Unterstützung für die Ukraine drastisch ausweitet. Nach seinem theatralischen Bekenntnis zur Friedensstiftung in 24 Stunden kann er es sich kaum leisten, sein Gesicht zu verlieren. Er muss siegen, so oder so.

 

Die Welt hat sich verändert

Seit Trumps erster Präsidentschaft ist die Welt chaotischer und gefährlicher geworden, es gibt mehr regionale Konflikte, die Blockaden haben sich verschärft und die Beziehungen zu China und Russland zeigen die Merkmale eines „zweiten Kalten Krieges“. In der Ukraine und im Nahen Osten finden derzeit zwei „heiße“ Kriege mit indirekter Beteiligung der USA statt. Chinas wirtschaftlicher und technologischer Fortschritt wurde weiter ausgebaut, seine Militärmacht wächst stetig.

 

Eine Radikalisierung wird vor allem in Trumps Außenpolitik erwartet, weil er sich durch seinen Wahlsieg dazu bestärkt fühlt. Er vertritt das Reagan-Prinzip des Friedens durch Gewalt, was eine massive Erhöhung der Verteidigungsausgaben erfordert. Laut dem künftigen US-Außenminister Marco Rubio ist die Bedrohung durch China so umfassend, wie nichts, was Amerika je zuvor erlebt hat. Die wirtschaftliche Abhängigkeit von China ist mittlerweile zu einem Risiko für die nationale Sicherheit geworden. Die Republikaner im Kongress arbeiten bereits an einem Gesetzentwurf, der China den Meistbegünstigungsstatus entziehen würde, den es seit einem Vierteljahrhundert genießt. Für Peking wäre dies eine dramatische Verschlechterung, da viele chinesische Exporteure vom US-Markt ausgeschlossen würden.

 

Zollterror 2.0

Die Radikalisierung von Trump 2.0 zeigt sich am besten an seiner Handelspolitik, die in der Außenpolitik eines amerikanischen Präsidenten noch nie eine überproportional große Rolle gespielt hat. China war das Ziel des 2018 begonnenen Zollkriegs. Eine drastische Reduzierung des US-Handelsdefizits, wurde damit jedoch nicht erreicht.

 

Trump will die Strafzölle nun verschärfen und ausweiten.

 

Er will auf sämtliche Produkte aus dem Ausland einen Zoll von zehn bis zwanzig Prozent erheben, auf chinesische sogar von 60 Prozent. Dies würde die Inflation in den USA beschleunigen, obwohl Trump im Wahlkampf mit niedrigeren Preisen geworben hatte.

 

Nach dem rudimentären Verständnis des Präsidenten sind Zölle eine wahre Wunderwaffe, die auf fast alles angewendet werden kann. Er droht seinen beiden Nachbarn Kanada und Mexiko mit der Verhängung von Strafzöllen in Höhe von 25 Prozent. Diese sollen so lange in Kraft bleiben, bis die illegale Einwanderung und der Drogenschmuggel in die USA ein Ende haben.

 

Trump will den BRICS-Staaten Zölle in Höhe von 100 Prozent auferlegen, wenn sie ihre Pläne zur „Entdollarisierung“ umsetzen und eine eigene gemeinsame Währung einführen, was in dieser äußerst heterogenen Ländergruppe keine realistische Chance hat. Natürlich lässt sich nicht ausschließen, dass es bei den aggressiven Zöllen lediglich um die Erreichung maximaler Ausgangsposition in den Verhandlungen geht, also um ein Druckmittel des großen Dealmakers.

 

Auf jeden Fall war die Welt seit den 1930er Jahren noch nie so nah am Ausbruch eines zerstörerischen Zollkriegs.


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Kommentare: 1
  • #1

    DFr. Préda István (Dienstag, 28 Januar 2025 06:34)

    Bitte akceptitren meine Gratuilazionen! István