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AT: Jugendliche in Österreich: Vertrauen in politische Institutionen sinkt drastisch

DMZ –  POLITIK ¦ MM ¦ Lena Wallner ¦

 

Demokratie Monitor 2024 zeigt Repräsentationslücke – Jugend fordert mehr Gehör

 

Wien – Jugendliche in Österreich bekennen sich mit überwältigender Mehrheit zur Demokratie, doch ihr Vertrauen in das politische System schwindet alarmierend. Während 90 % der 16- bis 26-Jährigen die Demokratie als beste Staatsform ansehen, sind nur noch 44 % der Meinung, dass das österreichische System gut funktioniert. 2018 lag dieser Wert noch bei 69 %. Dies sind Ergebnisse einer Zusatzbefragung des Demokratie Monitors 2024, die das Sozialforschungsinstitut Foresight im Auftrag des Parlaments mit Schwerpunkt Jugend durchgeführt hat.

 

Besonders besorgniserregend: Nur 35 % der Jugendlichen fühlen sich im Parlament gut vertreten, und weniger als ein Viertel sieht ihre Interessen bei politischen Entscheidungen berücksichtigt – Werte, die sich seit 2018 nahezu halbiert haben. Die Studie spricht von einer wahrgenommenen "Repräsentationslücke", die durch die krisenhaften Entwicklungen der letzten Jahre und die unzureichende Berücksichtigung jugendlicher Anliegen noch verstärkt wurde.

 

Jugendsprecher:innen: Politik muss Vertrauen zurückgewinnen

Jugendsprecher:innen aller Parlamentsparteien äußern sich besorgt über die Ergebnisse und sehen dringenden Handlungsbedarf. FPÖ-Abgeordneter Maximilian Weinzierl kritisierte das "desaströse" Agieren der Bundesregierung in zentralen Krisenfeldern wie Migration, Pandemie und Teuerung. Viele Jugendliche hätten das Gefühl, dass ihre Anliegen "ignoriert" würden. Das Vertrauen könne nur durch "ehrliche Politik" wiederhergestellt werden.

 

Heike Eder von der ÖVP betonte, dass Krisen wie die Pandemie und die Klimakrise zu Verunsicherung geführt hätten. Sie forderte mehr politische Bildung und direkte Beteiligungsmöglichkeiten, um junge Menschen wieder stärker einzubinden. "Die Lebensrealitäten der Jugend müssen Eingang in die Politik finden", so Eder.

 

Paul Stich (SPÖ) hob hervor, dass gebrochene Versprechen und mangelnde Maßnahmen, etwa beim Thema leistbares Wohnen, das Vertrauen der Jugend nachhaltig beschädigt hätten. Vertrauen sei "wie eine Kreditkarte", erklärte Stich. "Es ist schwer zurückzugewinnen, wenn es einmal verspielt wurde."

 

NEOS-Jugendsprecher Yannick Shetty sprach von einer "Politikerverdrossenheit", die vor allem durch Korruptionsfälle genährt werde. Glaubwürdigkeit sei der Schlüssel, um das Vertrauen der Jugend zurückzugewinnen. Barbara Neßler von den Grünen verwies auf die Folgen der Klimakrise: "Wenn Politiker:innen die Klimakrise leugnen, rauben sie der Jugend ein Stück ihrer Zukunft." Sie forderte, junge Menschen politisch zu ermächtigen und Medienkompetenz in den Schulen zu stärken.

 

Vertrauensverlust und neue Prioritäten

Die Studie dokumentiert einen deutlichen Vertrauensverlust in politische Institutionen. Während das Vertrauen in die Polizei (66 %) und Justiz (61 %) stabil geblieben ist, ist jenes in die Bundesregierung seit 2020 von 51 % auf 39 % gesunken. Das Vertrauen in das Parlament bleibt mit etwa 45 % konstant niedrig. Als Hauptursachen benennt die Studie globale Krisen, mangelnde Glaubwürdigkeit der Politik und die fehlende Repräsentation jugendlicher Interessen.

 

Besonders wichtig sind den Jugendlichen Themen wie die wirtschaftliche Lage (49 %), der Klimawandel (27 %) sowie Migration und Integration (18 %). Gleichzeitig wünschen sich viele mehr Informationen über das parlamentarische Geschehen: 57 % möchten etwa genauer wissen, welche Gesetzesvorschläge diskutiert werden.

 

Bildungsauftrag und Beteiligungsmöglichkeiten

Einen klaren Handlungsauftrag sehen die Jugendlichen in der schulischen politischen Bildung. 85 % der Befragten geben an, zu wenig über politische Debatten gelernt zu haben. Rund die Hälfte bemängelt unzureichende Informationen über ihre Rechte und Beteiligungsmöglichkeiten. Schulen müssten daher mehr Raum für politische Bildung schaffen, so die Forderung.

 

Demokratie lebt vom Engagement der Jugend

Die Studie zeigt auch positive Ansätze: Jugendliche interessieren sich zunehmend für politische Themen und nutzen dafür eine Vielzahl von Kanälen. Neben sozialen Medien, die von 66 % mindestens einmal pro Woche genutzt werden, greifen viele auch auf klassische Medien wie Tageszeitungen (57 %) zurück. Politische Diskussionen werden zudem häufiger Teil des Alltags – ein vielversprechender Trend.

 

Jugendsprecher:innen aller Parteien betonten, wie wichtig es sei, diese Dynamik zu unterstützen. Demokratie lebe vom Engagement der Jugend. Doch dieses Engagement brauche echte Beteiligungsmöglichkeiten und eine Politik, die die Anliegen junger Menschen ernst nimmt.

 

 

 

Herausgeber / Quelle: Parlamentskorrespondenz Österreich ¦ 


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