Die Sage um das Hardermannli

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Der Harder ist der markante Hausberg von Interlaken im Berner Oberland, Schweiz. Vom Gipfel des Harder Kulm aus eröffnet sich ein atemberaubender Blick auf die Region zwischen dem Thuner- und dem Brienzersee.

 

Ein genauerer Blick auf den Berg offenbart jedoch noch ein weiteres, faszinierendes Detail: Inmitten des Harderwaldes gibt es eine felsige Fläche, die in der Form eines menschlichen Gesichts zu erkennen ist. Wer genau hinsieht, kann Schnurrbart, markante Nase und Augen erkennen. Wie dieses Gesicht in den Felsen gelangt ist, beschäftigt die Bevölkerung von Interlaken seit jeher.

 

Das Hardermannli – ein steinerner Beobachter der Region, hoch über dem «Bödeli» – hat die Fantasie der Menschen über Jahrhunderte beflügelt. Doch wie es zu diesem Antlitz kam, bleibt ein Rätsel. Um seine Entstehung ranken sich zahlreiche Mythen und Legenden. Eine der bekanntesten Erzählungen ist die Sage vom Hardermannli.

 

Eine populäre, besonders kinderfreundliche Variante erzählt die Geschichte des Riesen Harder, der in den Wäldern des Hardergebirges lebte. Der riesige, grimmige Ungeheuer hatte es mit den kleinen, aber gewitzten Harder-Zwergen zu tun. Diese, die ihn nicht ausstehen konnten, fanden eines Nachts einen heimtückischen Weg, sich des Riesen zu entledigen. Während er tief und fest schlief, sägten sie ihm heimlich den Kopf ab und hängten diesen als Zeichen ihres Sieges in die Felswand des Harder.

 

Doch auch das Hardermannli ist keineswegs kopflos. Es hat über die Jahrhunderte hinweg still und wachsam das Geschehen zwischen den beiden Seen beobachtet. Dabei hat es wohl auch seine eigenen Gedanken entwickelt, die nicht immer ernst zu nehmen sind – dennoch dürfte in jeder seiner Äußerungen ein Körnchen Wahrheit stecken.

 

Die bekannteste Sage über das Hardermannli erzählt von einem Mönch aus dem Kloster Interlaken, der eines Tages ein Mädchen aus Unterseen beim Holzsammeln verfolgte. In Panik sprang das Mädchen über einen steilen Abgrund und stürzte zu Tode. Der Mönch, der diesen Akt begangen hatte, wurde daraufhin von einem himmlischen Richter in Stein verwandelt und verflucht, für immer auf den Ort seines Verbrechens herabzublicken.

 

Eine andere Version dieser Legende handelt von Abt Leonhardus, besser bekannt als Harder. Er war ein grausamer Mann, der von einer Fischerstochter besessen war. Als das Mädchen schwanger wurde, nahm es sich das Leben. Der wütende Vater des Mädchens rächte den Tod seiner Tochter, indem er dem Abt mit einem Beil den Schädel spaltete. In diesem Moment zitterte die Luft von Donnergrollen, und als der Fluch vorüber war, erkannten die Menschen im Felsen das Gesicht des Abtes, das fortan als Mahnmal für seine schändlichen Taten auf die Welt herabblickte.

 

Der Brauch der Harder-Potschete, der am 2. Januar in Interlaken gefeiert wird, hat seine Wurzeln in einer alten Tradition. Jugendliche aus Interlaken und Unterseen zogen maskiert zum Kloster und forderten nach altem Brauch Brot, Wein und Geld. Diese Gaben wurden ursprünglich den Toten als Opfer dargebracht. Der Umzug und das „Betteln“ wurden als „Chlummlen“ bezeichnet.

 

Der Name „Potsche“ stammt von den Schweineblasen, die als Requisiten verwendet wurden. Diese wurden mit Luft gefüllt und symbolisch auf die nicht-maskierten Zuschauer geschlagen. Ursprünglich befestigte man diese Blasen an Stöcken und zog sie durch den Matsch. Später entwickelte sich dieser Brauch, und heute spricht man von der „Besammlung der Potschen auf dem Marktplatz“.

 

Alljährlich zieht der Hardermann, begleitet von seinem Gefolge und den Potschen, durch die Straßen von Interlaken. Dabei verbreiten die Maskierten „Angst und Schrecken“ und nehmen an verschiedenen Festlichkeiten teil. Der traditionelle „Chlummler-Umzug“ am 2. Januar, bei dem die junge, meist verkleidete Jungmannschaft von Haus zu Haus zieht und um Gaben bittet, ist nach wie vor eine beliebte Veranstaltung.

 

Interessanterweise hat sich der Brauch des Chlummlens, ursprünglich mit der Tradition des Totengedenkens verbunden, im Jahr 1955 mit der Gründung des Harder-Potschete-Vereins weiterentwickelt. Damals waren die Maskenfeste zunehmend aus dem Ruder gelaufen, mit Vandalismus, Raufereien und schlimmeren Vorfällen. Der Verein trug dazu bei, die Tradition zu bewahren und in geordnete Bahnen zu lenken.

 

 

Quellen: keltoi | harderposchete.ch

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