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Corona-Ursprungsbericht: Fakten und Fehlinterpretationen im Licht der Wissenschaft

DMZ – WISSENSCHAFT ¦ S. Koller ¦

KOMMENTAR

 

Die Veröffentlichung eines Berichts durch einen Unterausschuss des US-Repräsentantenhauses, der die Theorie eines Laborunfalls als Ursprung der Corona-Pandemie stützt, sorgt erneut für Schlagzeilen. Doch ein genauer Blick auf die wissenschaftlichen Grundlagen zeigt, dass diese Schlussfolgerung nicht mit der aktuellen Forschungslage übereinstimmt. Besorgniserregend ist, dass auch das ZDF in seiner Berichterstattung auf diese unbelegten Behauptungen eingegangen ist und damit zur Verbreitung eines wissenschaftlich nicht fundierten Narrativs beiträgt.

 

Der Bericht und seine Methodik

Der 520-seitige Bericht basiert auf 30 Befragungen und der Durchsicht von über einer Million Dokumentenseiten. Trotz der umfangreichen Datensammlung bleibt fraglich, ob diese Quellen tatsächlich die Grundlage für die Behauptung eines Laborunfalls liefern. Eine seriöse wissenschaftliche Untersuchung des Virusursprungs erfordert analytische Laborstudien, genetische Sequenzierungen und Vergleiche mit natürlichen Virusvorläufern – nicht politische Interviews oder Aktenanalysen.

 

Die Rolle des ZDF und die Verantwortung der Medien

Das ZDF griff die Laborunfalltheorie in seiner Berichterstattung auf, ohne ausreichend auf die bestehende wissenschaftliche Konsenslage hinzuweisen. Damit trägt der Sender zur Verbreitung einer unbelegten Behauptung bei, die Verschwörungstheorien fördert und das Vertrauen in die Wissenschaft untergräbt. Besonders kritisch ist, dass der Bericht des US-Unterausschusses vor allem von politischen Motiven getrieben scheint, was in der Berichterstattung hätte betont werden müssen.

 

Journalistische Sorgfaltspflicht erfordert es, die wissenschaftlichen Grundlagen einer solchen Theorie zu prüfen und einzuordnen. Die unkritische Übernahme politisch motivierter Narrative ist nicht nur fahrlässig, sondern schädlich für die öffentliche Debatte und das Vertrauen in die Medien.

 

Die wissenschaftliche Konsenslage

Die überwiegende Mehrheit der Wissenschaftler geht davon aus, dass SARS-CoV-2 zoonotischen Ursprungs ist. Das bedeutet, dass das Virus von Tieren – wahrscheinlich Fledermäusen – auf den Menschen übertragen wurde, möglicherweise über einen Zwischenwirt wie den Marderhund. Diese Annahme basiert auf umfassenden genetischen Studien, die zeigen, dass SARS-CoV-2 eng mit anderen Coronaviren verwandt ist, die in Fledermäusen vorkommen.

 

Dr. Anthony Fauci, renommierter Immunologe und ehemaliger Berater der US-Regierung, erklärte, dass es "molekular unmöglich" sei, dass die in Wuhan untersuchten Fledermausviren durch genetische Manipulation zu SARS-CoV-2 umgewandelt wurden. Diese Aussage deckt sich mit zahlreichen Studien, die keine Hinweise auf gentechnische Veränderungen im Virusgenom finden konnten.

 

Fehldeutungen und politische Instrumentalisierung

Die Laborunfalltheorie wird häufig von politischen Akteuren und Verschwörungstheoretikern aufgegriffen, um bestimmte Narrative zu stützen. Im vorliegenden Bericht scheinen politische Motive über wissenschaftliche Integrität zu dominieren: Insbesondere die Angriffe auf Fauci und die Behauptung, er habe Gelder für die „Herstellung“ des Virus bereitgestellt, entbehren jeder Grundlage. Sie sind Teil einer diffamierenden Kampagne gegen eine der führenden Stimmen der Pandemie-Bekämpfung.

 

Die Gefahren von Spekulationen

Das unkritische Verbreiten von Berichten, die die Laborunfalltheorie stützen, birgt erhebliche Gefahren. Es untergräbt das Vertrauen in die Wissenschaft, lenkt von wichtigen Präventionsmaßnahmen ab und fördert Fremdenfeindlichkeit gegenüber China. Anstatt unbewiesene Theorien zu verbreiten, sollte der Fokus auf der globalen Zusammenarbeit bei der Erforschung von Pandemien und der Prävention zukünftiger Gesundheitskrisen liegen.

 

Fazit: Wissenschaft statt Spekulation – auch für Medien

Die Theorie eines Laborunfalls als Ursprung von SARS-CoV-2 bleibt unbelegt und widerspricht der bisherigen Forschung. Es ist bedauerlich, dass ein öffentlich-rechtlicher Sender wie das ZDF diesen wissenschaftlich nicht haltbaren Behauptungen Raum gibt. Medien tragen eine hohe Verantwortung, Fakten von Spekulationen zu trennen und den wissenschaftlichen Diskurs angemessen zu präsentieren. Solange keine stichhaltigen wissenschaftlichen Beweise vorgelegt werden, sollten Spekulationen nicht unkritisch weiterverbreitet werden. 


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