Von Worten und Spielereien

DMZ – BLICKWINKEL¦ P. Jungo ¦

KOMMENTAR

 

Ich liebe es mit Wörtern und Silben zu spielen. Wie amüsant, sie tanzen zu lassen, auf den Sternen, dem Regenbogen und zuweilen auch in meinem Geiste. Es gefällt mir ausgesprochen gut, die Wörter in ihre kleinsten Bausteine zu zerlegen, um sie dann aus verschiedenen Perspektiven zu begutachten.

 

Sie fallen mir einfach zu und ermutigen mich zu allerlei Spielereien. Das Wort „Teilen“ ist eines davon. Beim Teilen spielen sich bei mir unweigerlich Szenen meiner Kindheit vor meinem inneren Auge ab: Da galt es zu teilen, was es nicht für alle in genügender Menge gab: die Trauben, die Schokolade, die Spielzeuge, die Kleider und den Fernseher.

 

Das Wort hatte etwas Andächtiges an sich und wehe, man teilte nicht: Den Mahnfinger sah man schon von Weitem winken. Teilen schien eines der reichsten Wörter überhaupt zu sein und spielte sich in allen möglichen Variationen und Farben in unserem Leben ab: Mama verteilte Umarmungen, der Koch im Wirtshaus zerteilte sein Suppenhuhn, der Lehrer teilte die Prüfungen aus, die er zuvor beurteilt hatte. Der Pfarrer wollte vor dem Ende der Messe noch einige Informationen mitteilen und Papa verurteilte das Verhalten der respektlosen Nachbarn. Die Liste könnte wohl unendlich lange fortgesetzt werden.

 

Seither hat das Teilen um seine Freiheit gerungen und schon einige Siege davongetragen. Heute teilt oft, wer teilen will, aus freiem Herzen. Bei einer Wortvariante bin ich jedoch steckengeblieben; nämlich beim Urteilen. Ich habe mich schon lange und immer wieder gefragt, was wir eigentlich teilen, wenn wir urteilen. Irgendwie beschert mir dieses Wort in der Welt des Teilens Kopfzerbrechen. Ihm haftet zweifelsohne etwas „Negatives“ an. Ist dem aber auch wirklich so?

 

Da gibt es verschiedene Spuren. Was teilen wir denn, wenn wir urteilen, über Menschen, Situationen, Handlungen? Sind es unsere eigenen Erwartungen und Werte, stillen wir ganz einfach unseren Drang nach Kontrolle oder wollen wir unsere Position und Meinung unmissverständlich zum Ausdruck bringen? Verstecken wir dahinter gar unsere Unsicherheiten und Ängste oder sind wir einfach ewige Besserwisser?

 

Vielleicht meinen wir es ja nur gut und wollen unsere Erfahrungen weitergeben und damit gar dienen. Ich kann es drehen und wenden, wie ich will; eine eindeutige Antwort gibt es schlichtweg nicht. Allen Spielereien zum Trotz wird mir einmal mehr klar: Es ist immer eine Frage der Perspektive und irgendwie hat ein Wort einfach die Bedeutung, die wir ihm geben. Damit geht natürlich ganz schön viel Verantwortung einher. Genauso ist es auch beim Urteilen.. So, die Spielereien dürfen nun weitergehen und ich bin gespannt, welches Wort als nächstes tanzen darf.


 

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