DMZ –WISSENSCHAFT ¦ S. Koller ¦
Die Auswirkungen von COVID-19 auf den menschlichen Körper sind vielfältig und gehen weit über Atemwegserkrankungen hinaus. Eine neue, in Italien durchgeführte Langzeitstudie hat nun belegt, dass auch Jugendliche und junge Erwachsene, die nur mild an COVID-19 erkrankten, signifikante strukturelle und funktionelle Veränderungen im Gehirn zeigen. Diese Veränderungen betreffen zentrale Bereiche wie das Gedächtnis und die räumliche Arbeitsgedächtnisfunktion und könnten langfristige kognitive Defizite zur Folge haben.
Die COVID-19-Pandemie forderte weltweit über 12,5 Millionen Menschenleben und hat nicht nur enorme gesundheitliche, sondern auch soziale und wirtschaftliche Folgen. Während die meisten Studien sich auf schwere Krankheitsverläufe oder ältere Bevölkerungsgruppen konzentrieren, untersuchte diese multimodale Langzeitstudie die Auswirkungen von mildem COVID-19 auf Jugendliche und junge Erwachsene, die oft unter langfristigen Symptomen wie Konzentrationsstörungen, Müdigkeit und Gedächtnisproblemen litten.
Die in der italienischen Region Lombardei durchgeführte Studie, einem der globalen COVID-19-Hotspots, verglich mit Hilfe von Magnetresonanztomographie (MRT) und Ruhe-fMRT (rs-fMRT) die Gehirnstrukturen und -funktionen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen vor und nach einer milden COVID-19-Infektion. Ziel war es, neurobiologische Mechanismen zu identifizieren, die mit den kognitiven Veränderungen in Verbindung stehen. Dabei wurden nicht nur die strukturellen, sondern auch die funktionellen Unterschiede zwischen den infizierten und gesunden Teilnehmenden untersucht.
Die Ergebnisse zeigen, dass mildes COVID-19 mit signifikanten Veränderungen in mehreren Gehirnregionen einhergeht. Besonders auffällig war ein Volumenverlust im linken Hippocampus und eine reduzierte funktionelle Konnektivität in der linken Amygdala, die beide zentrale Rollen bei Gedächtnis- und Emotionsverarbeitungsprozessen spielen. Diese Veränderungen könnten erklären, warum viele Betroffene nach einer milden COVID-19-Erkrankung über Schwierigkeiten beim Speichern und Abrufen von Informationen berichten. Die Studie fand zudem heraus, dass das räumliche Arbeitsgedächtnis, eine Schlüsselkomponente für die Verarbeitung und Speicherung von Informationen über kurze Zeiträume, besonders beeinträchtigt war.
Bedeutung der Studienergebnisse
Die Ergebnisse bestätigen frühere Untersuchungen, die bereits strukturelle Veränderungen in Hirnregionen wie dem Hippocampus und der Amygdala bei COVID-19-Patienten dokumentierten. Neu an dieser Studie ist jedoch der Fokus auf Jugendliche und junge Erwachsene, deren Gehirne sich noch in der Entwicklung befinden. Diese Altersgruppe ist besonders anfällig für Veränderungen in Hirnregionen, die für kognitive und exekutive Funktionen entscheidend sind.
Ein weiteres zentrales Ergebnis der Studie ist die Erkenntnis, dass die funktionellen Veränderungen in den untersuchten Gehirnregionen nicht das gesamte Gehirn betreffen, sondern spezifische kortikale und subkortikale Bereiche. Insbesondere der Orbitofrontalcortex, der für die Verarbeitung von Sinnesinformationen wie Geschmack, Geruch und visuelle Reize verantwortlich ist, zeigte bei den COVID-19-positiven Teilnehmern eine verminderte Konnektivität. Dies könnte auf eine neuroinvasive Wirkung des SARS-CoV-2-Virus hinweisen.
Einschränkungen und Ausblick
Die Studie weist jedoch auch einige Einschränkungen auf, insbesondere die geringe Teilnehmerzahl. Ein größeres Stichprobenvolumen könnte helfen, stärkere und genauere Rückschlüsse zu ziehen. Zukünftige Forschungen sollten sich auch darauf konzentrieren, den Einfluss psychosozialer Stressfaktoren, die während der Pandemie auftraten, wie Isolation und Lockdowns, auf das Gehirn zu untersuchen. Diese Stressfaktoren könnten zusätzlich zu den physischen Auswirkungen der Infektion kognitive und emotionale Veränderungen verstärken.
Trotz dieser Einschränkungen liefern die Ergebnisse wertvolle Einblicke in die neurobiologischen Auswirkungen von mildem COVID-19 auf das junge Gehirn. Sie unterstreichen die Notwendigkeit weiterer Forschungen, um langfristige kognitive Defizite zu verhindern und angemessene Therapiemöglichkeiten zu entwickeln.
Fazit
Diese Studie verdeutlicht, dass selbst milde COVID-19-Infektionen bei jungen Menschen strukturelle und funktionelle Veränderungen im Gehirn verursachen können, die mit kognitiven Beeinträchtigungen einhergehen. Insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene, deren Gehirne sich noch in der Entwicklung befinden, sind potenziell langfristig betroffen. Die Studienergebnisse legen nahe, dass die neurologischen und kognitiven Folgen von COVID-19 genauer untersucht und ernst genommen werden sollten.
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