DMZ – POLITIK ¦ Dirk Specht ¦
KOMMENTAR
Im Wahlkampf 2021 hatte die Union sich für einen Kandidaten entschieden, der auf schwarz/gelb setzte. Der CSU-Vorsitzende hatte sich vermutlich genau deshalb, vielleicht auch besser ahnend, dass es ein zu enges und knappes Konzept sein könnte, mit der Alternative schwarz/grün ins Rennen gebracht. Das ist Geschichte, das Ergebnis bekannt. Bereits damals ein strategisch merkwürdig vorhersehbares Fehlverhalten.
Nun hat der Nachfolger des damaligen CDU-Kandidaten als Oppositionsführer die Regierung, unter deren tatkräftiger Unterstützung, in einen politischen Absturz überführt. Nachdem die erkorenen Hauptgegner, die Grünen, nicht mehr hoffähig sind, selbst der stets mögliche Rettungsanker, die SPD, möglicherweise nicht mal reicht und quasi als Kollateralschaden die FDP final versenkt wurde, denkt jener Nachfolger mehr oder weniger offen dann doch auch mal darüber nach, wie das Projekt Kanzlerschaft und vor allem mit wem so ganz genau umgesetzt werden kann. Das wird so langsam Zeit, denn mehr als ein Durchlauferhitzer ist dabei nicht raus gekommen: Man saugt die Ampel-Enttäuschten auf, die nicht nach ganz AfD-rechts oder BSW-links/rechts flüchten wollen, um zugleich an genau die ungefähr dieselbe Zahl abzugeben.
Es scheint deutlich zu werden, dass man zwar in einer allgemeinen und selbst kräftig mit verursachten Erosion die eigene Stagnation als Erfolg bezeichnen kann, aber bei der Suche nach Boden unter den Füßen so langsam ein Problem erkennt. Aktuell hat der CDU-Vorsitzende ein nicht triviales Problem, wie er die Erwartungshaltung des einen Unions-Teils, Haltung zu wahren, mit der des Teils, es doch mal ganz anders zu versuchen, balancieren soll.
Da sieht der CSU-Chef seine Chance, sich als Alternative mit dem genau gegenteiligen Entwurf zu 2021 zu bewerben, was dann das nächste Problem des CDU-Chefs ist. Zwar soll sich so ein selbst zerrüttender Zweikampf wie 2021 nicht wiederholen, sagt der erneut hoch flexible CSU-Chef, aber das hat er in seiner Rede für aufmerksame Beobachter ein paar Mal zu oft wiederholt.
Mal schauen, wie die Spitzen der Union das dieses Mal lösen. Offensichtlich muss man in der führenden Partei des Landes sowohl nach innen als auch in Richtung der politischen Gegner stets taktische Linien wählen, die nicht optimal miteinander „harmonieren“ müssen. Da kann man wie auch woanders schon mal die Orientierung verlieren und die Causa VW auf Standortprobleme zurückführen sowie die Fehler des Managements, zu sehr auf E-Mobilität zu setzen.Nun kann vieles passieren, aber gewissermaßen „unangenehm“ wäre es, wenn man bei der Suche nach seinen Gegnern die notwendigen Partner von morgen beschädigt, die eigentlichen Gegner dabei stärkt und irgendwie nun mit denen auch noch den einen oder anderen Handel tätigen muss, um die eigenen Reihen zusammenzuhalten.
Diese Suche nach den wahren Gegnern könnte eine überraschende Wendung nehmen, denn vielleicht muss die Union die gar nicht finden, die könnten sehr schnell nämlich die Union finden. Vieles spricht dafür, dass insbesondere die AfD jetzt beginnen wird, die Union als ihren Hauptgegner anzugreifen. Die Dividende aus anderen Lagern wurde ihr wohl weitgehend geliefert, jetzt sind die nächsten Ackerflächen klar. Stellt die Union sich weiter so strategisch sattelfest auf, wie in den letzten Jahren, wird es genug Angriffspunkte geben. Dem auszuweichen, indem wahlweise Ampel-Bashing oder bunte Knete von einer gerechteren Welt erzählt wird, kann auch nicht gelingen, denn dem diesbezüglichen Marktführer BSW sollte man dieses Wasser nicht auch noch auf die Mühlen geben.
Der Angreifer könnte schneller zum Angegriffenen werden, als er sich das je dachte. Er wird dazu mehr liefern müssen, als VW durch Ampelversagen zu erklären und Kernkraftwerke bauen zu wollen, die bei Amazon gerade nicht lieferbar sind. Wäre alles sehr lustig, wenn man nicht erneut feststellen könnte: Es war sogar trivial, genau diese Situation zu erkennen, lange bevor sie nun eingetreten ist.
Das Ampel-Bashing hat ausgedient, der nächste Akt beginnt. Dabei haben die beiden Gegner die besseren Voraussetzungen, die nun mit ihrer Kombination aus Bashing und bunter Knete problemlos fortsetzen können. Mehr müssen die gar nicht tun, für die Union ist damit kein Honig mehr zu holen, da wird nun so was wie konkrete Lieferfähigkeit notwendig: Was genau, mit wem und wie umgesetzt. Fragen halt für den, der konkret Kanzler werden will und nun auf der Zielgeraden nicht mehr damit auskommt, anderen nachzuweisen, dass die es nicht können.
Bisher war das taktische Spielfeld für die Union simpel. Das Handwerk, bis zur Lähmung der Finanzen, hat sie hervorragend umgesetzt. Genau so machte man das im alten Parteienspektrum und der Wählerarchitektur. Haben die wirklich nicht gemerkt, dass sie sich nur in einem Teil des aktuellen Spiels bewegt haben?
Die wirklich dicken Bretter kommen jetzt, genau die hätte man besser mal viel früher beachtet. Die Plattitüde, die Dinge vom Ende zu denken, findet mal wieder ein anschauliches Beispiel.
Lesestoff:
Kurzer Beitrag von gestern: Die Optionen von „Wahlsiegern“ sehen anders aus!
Von Hammerstein im Spiegel: https://www.spiegel.de/politik/deutschland/friedrich-merz-nach-den-landtagswahlen-der-cdu-chef-hat-jetzt-drei-probleme-a-db7ef0de-e4f3-438f-b12e-79c060f4e236
Altenbockum in der FAZ: https://zeitung.faz.net/faz/top-themen/2024-09-03/1e4729613f1426ad11ca620896cdc8df?GEPC=s5
Der CDU-Chef erklärt die Causa VW: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/auto-verkehr/friedrich-merz-zur-vw-krise-deutschland-ist-nicht-wettbewerbsfaehig-genug-19959992.html
Deckers zu Wagenknecht in der FAZ: https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/bsw-im-aufwind-sahra-wagenknecht-ist-staerke-und-schwaeche-zugleich-19958368.html
Das Handelsblatt zu Wagenknecht: https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/parteien-was-will-die-wagenknecht-partei/100065556.html
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