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AT: Wahlrechtsreform 2007: Ein "Positiver Vaterschaftsstreit" um die Absenkung des Wahlalters

DMZ –  POLITIK ¦ MM ¦ Lena Wallner ¦

 

Am 5. Juni 2007, als die Wahlrechtsreform im Nationalrat zur Debatte stand, war sich das österreichische Parlament in einem Punkt einig: Die Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre war längst überfällig. Dies führte zu einem seltenen "positiven Vaterschaftsstreit" zwischen den Fraktionen, die alle für sich beanspruchten, die Idee zur Herabsetzung des Wahlalters initiiert zu haben.

 

Einigkeit im Nationalrat

Die Grünen erinnerten daran, dass sie bereits 1992 die Forderung nach einem Wahlrecht ab 16 Jahren gestellt hatten. Die damalige Abgeordnete Eva Glawischnig-Piesczek bezeichnete die Reform als „längst überfällig“. Auch die SPÖ, vertreten durch Laura Rudas, verwies auf frühere Forderungen, die bereits in den 1980er-Jahren von der Sozialistischen Jugend unter Alfred Gusenbauer erhoben wurden. Die Junge ÖVP Steiermark hatte sich ebenfalls bereits 1992 für die Wahlaltersenkung ausgesprochen, wie ÖVP-Abgeordneter Thomas Einwallner betonte. Selbst das BZÖ hob hervor, dass Kärnten als eines der ersten Bundesländer das Wahlalter auf 16 Jahre abgesenkt hatte. Während die FPÖ gegen die gesamte Wahlrechtsreform stimmte, unterstützte sie dennoch die Senkung des Wahlalters.

 

Förderung der politischen Bildung

Im Zuge der Reform wurde auch die Bedeutung der politischen Bildung für junge Menschen hervorgehoben. Als Antwort darauf eröffnete das Parlament im Oktober 2007 die Demokratiewerkstatt, die von der damaligen Nationalratspräsidentin Barbara Prammer ins Leben gerufen wurde. Dieses Bildungsangebot richtet sich an junge Menschen zwischen acht und 19 Jahren und vermittelt ihnen auf interaktive Weise die Grundlagen von Demokratie und Parlamentarismus.

 

Die Argumente für und gegen die Wahlaltersenkung

Die Befürworter der Wahlaltersenkung argumentieren, dass junge Menschen bereits ab 16 Jahren strafmündig und erweitert geschäftsfähig sind. Zudem zeigen Studien, dass eine frühe Einbindung in politische Prozesse das Interesse und die Beteiligung junger Menschen an der Politik fördert. Kritiker hingegen bezweifeln, dass Jugendliche in diesem Alter über die nötige Reife und Lebenserfahrung verfügen, um verantwortungsvolle Wahlentscheidungen zu treffen.

 

Eine Studie der Universität Wien, die im Auftrag des Parlaments nach der Nationalratswahl 2017 durchgeführt wurde, widerlegte diese Bedenken. Sie zeigte, dass 16- bis 17-jährige Erstwählerinnen und Erstwähler politisch besser informiert waren und eine höhere Wahlbeteiligung aufwiesen als ihre 18- bis 20-jährigen Altersgenossen.

 

Junge Abgeordnete bleiben die Ausnahme

Trotz der Senkung des passiven Wahlalters auf 18 Jahre im Jahr 2007 bleibt der Anteil junger Abgeordneter im Nationalrat gering. Nach der Wahl 2019 waren nur 13 Abgeordnete unter 30 Jahren. Weltweit ist der Trend ähnlich: Junge Menschen sind in Parlamenten nach wie vor unterrepräsentiert.

 

Fazit

Die Wahlaltersenkung auf 16 Jahre in Österreich war eine Reform, die parteiübergreifend Zustimmung fand und die politische Partizipation junger Menschen fördert. Trotz einiger Kritikpunkte zeigt die Erfahrung, dass Jugendliche gut auf die Wahlentscheidung vorbereitet sind und diese aktiv wahrnehmen. Dennoch bleibt die Herausforderung bestehen, junge Menschen auch in parlamentarischen Positionen stärker zu repräsentieren, um ihre Perspektiven und Prioritäten in die politische Entscheidungsfindung einzubringen.   

 

 

 

Herausgeber / Quelle: Parlamentskorrespondenz Österreich ¦ 


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