Crash-Propheten fühlen sich bestätigt und liegen nur schon wieder daneben

DMZ –  POLITIK ¦ Dirk Specht ¦   

KOMMENTAR

 

Kleiner Servicepost für alle, die mit den vielen Crash-Botschaften über den mal wieder laufenden Untergang des Abendlands überfordert sind. Es ist schon interessant, was dazu alles zu lesen ist. Demnach ist plötzlich alles Schrott, was gestern noch ganz toll war, viele sehen Blasen platzen, deren Platzen sie seit Ewigkeiten haben kommen sehen, was nur bedeutet, dass sie seit Ewigkeiten falsche Analysen hingelegt haben.

 

Niemand kann wirklich ergründen, was an den Finanzmärkten in den letzten Tagen los war und erst recht nicht, wie es weiter geht. Aber man kann einige Wahrscheinlichkeiten formulieren und sich vielleicht eher mit dem beschäftigen, was plausibel ist, statt Analysen zu folgen, die so lange falsch sind, bis sie dann doch mal zufällig einen kurzen Moment der Bestätigung finden.

 

Für mich die wahrscheinlichste Ursache sind Carry-Trades im japanischen Yen. Viele, ich nenne sie mal Finanzakteure haben sich sehr billig im Niedrigzinsland Japan verschuldet, um mit diesem Kreditgeld außerhalb Japans alle möglichen Investments zu finanzieren. Das können auch Projekte sein, aber überwiegend wurden dafür Aktien und Anleihen sowie weitere Finanzassets in anderen Währungen gekauft. Das führte zu einem Rückgang des Yen, da für diese Carry-Trades Yen gegen die anderen Währungen verkauft werden muss. Ein Trend, der vielen nutzte, denn durch den fallenden Yen können nicht nur die Zinsdifferenzen genutzt werden, sondern auch Währungsgewinne, da die Yen-Kredite bei Fälligkeit billig getilgt werden. Die Japaner hatten wegen ihrer Exportindustrie ebenfalls Vorteile durch den Währungsverfall. Ferner wurden japanische Aktien für Ausländer billig, weshalb der Aktienindex in Tokyo, der Topix stark anstieg.

 

So lief das über viele Jahre und es weitete sich mit den Zinserhöhungen durch die FED zuletzt aus. Nun aber beschleunigte sich für die Japaner der Währungsverfall zu rasch und zugleich kommen Zinssenkungssignale der FED. Als Reaktion drehte sich der Trend beim Yen, er wertete gegenüber dem US-Dollar auf und die Zinsdifferenzen kamen zurück. Das ist für diese Carry-Trades, vor allem die jüngeren Datums, der Kipppunkt von einer guten Marge zu einem Verlust. Passiert das bei Kreditvehikeln, ist das oft der Exitus des Plans: Banken kündigen die Verträge, Investmentstrategien treffen auf Margin-Calls und daher müssen sofort ohne Rücksicht auf aktuelle Konditionen massenweise Positionen bestens liquidiert werden.

 

So etwas löst in unseren mit niemals gekannten Finanzvolumina und agilen Instrumenten ausgestatteten Finanzmärkten dann schnell Bewegungen aus, die es bisher nicht gab. Der Yen hat für so eine große Währung historisch schnell aufgewertet und der Topix ist an einem Tag um 10% gefallen. Man mag Crash dazu sagen, aber der Begriff ist eigentlich nur ein indifferenter Sensationstrigger. Kommen solche Schwankungen zustande, treten übrigens Gegenbewegungen in ähnlicher Heftigkeit auf, weil wir von Leerverkäufern bei fallenden Kursen bis zu kurzfristige Erholungen nutzende Spekulanten viele im Markt haben, die kaufen müssen oder das nur für wenige Stunden tun. Daher ist der Topix heute um fast 10% gestiegen, was ebenfalls eine historische Marke ist – und für sich genommen auch nicht so bedeutend ist.

 

Die Vermutung, dass es ein primär finanztechnisch getriebener Kipppunkt war, wird übrigens gestützt durch die Tatsache, dass insbesondere gestern alles weltweit gefallen ist. Aktien, Staatsanleihen, Gold, Bitcoin, Rohstoffe. Dafür gibt es nur massiven Liquiditätsbedarf als Erklärung, denn so breit gehen diese sehr gegensätzlichen Anlagen sonst nicht zugleich nach unten. Es ist sehr plausibel, dass gestern viele Finanzakteure unter Zugzwang waren und alles zu Geld machen mussten, um ihre Verpflichtungen zu erfüllen.

 

Wenn ich richtig liege, hat das keinerlei fundamentale Ursachen. Da ist weder irgendeine Blase geplatzt, noch sehen wir die Folgen der Schuldenkrise, es ist kein Kartenhaus eingestürzt und es geht auch nicht um drohende Rezessionen, Kriege oder globale Konflikte. Gut ist so ein Unfug deshalb nicht, es macht ökonomisch keinen Mehrwert, dass solche globalen Finanzstrategien möglich sind und mit immer mehr Volumina dann solche Instabilitäten auslösen. Aber freie Kapitalmärkte sind auch wichtig und dann lässt sich so etwas auch nicht so einfach verhindern. Nachzudenken wäre an der Stelle, ob man für die Vergabe von Krediten vielleicht mal bessere Regeln schafft, denn für ökonomisch wertvolle Dinge wird Kredit teilweise immer schwerer und solche finanztechnisch natürlich simpel berechenbare Gewinnspiele werden locker durchfinanziert. Ohne Kredithebel wären solche Strategien aber erstens kleiner und sie würden sich auch nicht so entladen, weil die Investoren mit eigenem Geld nicht alles unkontrolliert liquidieren müssten.

 

Nun ist das aber so und man kann nur jedem raten: Wer in diese Märkte nun panisch irgendwas verkauft, ist schlecht beraten. Wie lange diese Carry-Trades noch in Schieflagen geraten und solche Effekte auslösen, ist unklar. Da gehen nun manche Finanzpläne in den Hauptwaschgang und das kann auch noch so weiter gehen, es wird aber auch genauso schnell enden. Ebenso ist es möglich, dass der Aufwärtstrend der Finanzmärkte dadurch gestoppt wird und eine sogar gesunde Korrektur einsetzt, die ohnehin überfällig war. Das wird dann auch die Bewertung von vielen Assets wieder normalisieren. Wirklich gefährlicher wird das übrigens dann, wenn sich bei dem Casino Großbanken oder ähnliche systemrelevante Akteure mal wieder auf die Nase legen. Kann auch noch kommen.

 

Aber: Wenn das alles durch ist, geht es weiter. Das heißt aber: Hier dürften – wann auch immer – eher Kaufkurse kommen. Wer nicht verkaufen muss, sollte also gar nichts tun, wer eine Anlage sucht, sollte seinen Zeitpunkt wählen, ggf. in Tranchen schrittweise einsteigen.

Denn: Fundamental ist da nichts passiert und nur das würde bedeuten, sich grundsätzlich neu zu orientieren. Die Crashpropheten behaupten zwar, dass deren Analysen sich nun bewahrheiten, aber das bleibt die kaputte Uhr, die sogar nur einmal im Jahrzehnt die richtige Zeit anzeigt. Selbst das stimmt aber nicht, denn die Ursachen für diese Turbulenzen sind von den meisten auch falsch bewertet – das wiederholt sich in vielen reißerischen Berichten aktuell einmal mehr.


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