DMZ – POLITIK ¦ MM ¦ Lena Wallner ¦
Mehrheitswahl, Verhältniswahl und andere Systeme im Vergleich
Wien – Rund die Hälfte der Weltbevölkerung ist 2024 bei einer Wahl wahlberechtigt. 57 parlamentarische Kammern weltweit werden heuer direkt gewählt. Weitere 17 werden indirekt bestellt oder ernannt. Insgesamt 74 parlamentarische Kammern werden 2024 also neu besetzt. Dabei finden Wahlen auf allen Erdteilen statt. Ein Blick auf die Zahlen sowie auf drei Länder auf drei Kontinenten – die USA, Litauen und Namibia – zeigt die unterschiedlichen Wahlsysteme auf.
Wahlen auf jedem Kontinent
Zahlreiche – große und auch kleinere – Parlamentswahlen sind 2024 bereits geschlagen. In Asien etwa waren in der "größten Demokratie der Welt" Indien bereits im Frühling fast eine Milliarde Menschen zur Wahl aufgerufen. In Indonesien waren es im Februar über 204 Millionen. In Afrika machten die Parlamentswahlen in Südafrika im Mai Schlagzeilen. In Ozeanien wurden im Inselstaat Tuvalu Anfang des Jahres die 16 Sitze im Parlament neu vergeben. In Europa schritten Bürger aller EU‑Staaten im Juni zur Wahl des Europaparlaments. Außerdem wurde vor wenigen Wochen in Frankreich und in Großbritannien gewählt. In Südamerika stehen im Oktober noch Wahlen in Uruguay bevor. Und auf den Ausgang der US-Wahlen im November wartet die ganze Welt gespannt. Die Interparlamentarische Union (IPU) hat auf ihrer Datenplattform Parline alle Termine ebenso wie die unterschiedlichen Wahlsysteme auf der ganzen Welt genau im Blick.
Verhältniswahlrecht häufigstes Wahlsystem
Österreich ist mit seinem Wahlsystem international in guter Gesellschaft. Das zeigen Daten, die die IPU zu den Wahlsystemen in 193 Staaten weltweit gesammelt hat. In 77 Staaten wird die mit dem Nationalrat vergleichbare erste Kammer des Parlaments (bzw. bei Einkammer-Parlamenten die einzige Kammer) wie in Österreich durch eine reine Verhältniswahl gewählt. Die Mandate im Parlament werden also entsprechend der Stimmenanteile an die einzelnen Parteien vergeben. Das gängige Verfahren ist hier die Listenwahl. Die zweithäufigste Wahlform ist das Mehrheitswahlrecht, das in 63 Ländern zur Anwendung kommt. Hier geht ein Mandat in einem Wahlkreis also an jene Kandidat mit den meisten Stimmen. 36 Staaten arbeiten mit gemischten Systemen, sieben weitere werden unter "andere Systeme" zusammengefasst. Für sieben Länder – darunter etwa China und Syrien – liegen der IPU keine Informationen vor. Drei Staaten (Afghanistan, Myanmar und Sudan) sind derzeit suspendiert und werden deshalb in den Daten nicht mitgezählt.
USA wählen mit Mehrheitswahlrecht
Am 5. November wird in den USA nicht nur der nächste Präsident gewählt, sondern auch der Kongress. Im Repräsentantenhaus werden alle 435, im Senat 34 der 100 Mitglieder neu bestellt. Die Abgeordneten im Repräsentantenhaus werden für eine Periode von zwei Jahren gewählt. Im Senat dauert die Amtszeit sechs Jahre, wobei alle zwei Jahre ein Drittel der Senator neu gewählt wird. Die Wahl zum Repräsentantenhaus findet nach dem Mehrheitswahlrecht statt. In 435 Wahlbezirken wird je ein Vertreter gewählt. Den Sitz bekommt der Kandidat oder die Kandidatin mit den meisten Stimmen. Die Wahlkreise werden nach der Bevölkerungszahl bestimmt und auf die Bundesstaaten aufgeteilt. Jeder Bundesstaat stellt mindestens ein Mitglied des Repräsentantenhauses. Bevölkerungsreiche Staaten entsenden mehrere Abgeordnete. Die Senator werden ebenfalls durch eine Mehrheitswahl bestimmt. Im Unterschied zum Repräsentantenhaus zählt bei der Einteilung in Wahlkreise nicht die Bevölkerungszahl. Jeder der 50 Bundesstaaten stellt einen Wahlkreis mit zwei Sitzen dar.
Wählen dürfen US-Amerikaner ab 18 Jahren. In den meisten Bundesstaaten müssen sich die Wahlberechtigten ein paar Wochen vor der Wahl registrieren lassen, um teilzunehmen zu dürfen. Um für das Repräsentantenhaus kandidieren zu können, muss man mindestens 25 Jahre alt und seit mindestens sieben Jahren US-Staatsbürger sein. Senator kann werden, wer mindestens 30 Jahre alt ist und die Staatsbürgerschaft seit mindestens neun Jahren besitzt. Abgeordnete müssen zudem in dem Wahlkreis bzw. Bundesstaat leben, in dem sie kandidieren.
Litauen hat gemischtes System
Gleich drei Mal sind die Bürger in Litauen dieses Jahr zur Wahl aufgerufen. Nach der Präsidentschaftswahl am 12. Mai und der Europawahl am 9. Juni findet am 13. Oktober die erste Runde der Wahl zum litauischen Parlament, dem Seimas, statt. Der Seimas ist ein Einkammerparlament. Die Mitglieder werden für vier Jahre gewählt. Laut der Zentralen Wahlkommission Litauens müssen die Parlamentswahlen am zweiten Sonntag im Oktober jenes Jahres stattfinden, in dem die Legislaturperiode ausläuft. Die 141 Sitze im Parlament werden in einem gemischten Verfahren aus Mehrheits- und Verhältniswahl vergeben. 71 Sitze werden über Direktmandate in Wahlkreisen besetzt. Jeder Wahlkreis entsendet dabei ein Mitglied in den Seimas. Das Mandat erhält jene Kandidat, der mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen erreicht, sofern die Wahlbeteiligung in dem jeweiligen Wahlkreis mindestens 40 % beträgt. Liegt sie darunter, geht das Mandat an jene Kandidat mit den meisten Stimmen, wobei es mindestens ein Fünftel aller Stimmen braucht. Gibt es entsprechend diesen Kriterien keine Sieger, kommt es zwei Wochen später zu einer Stichwahl zwischen den beiden Kandidat mit den meisten Stimmen. Die restlichen 70 Sitze des Seimas werden im Verhältniswahlsystem entsprechend der Stimmenanteile der Parteien vergeben. Damit die Wahl gültig ist, muss die Wahlbeteiligung bei mindestens 25 % liegen. Wählen dürfen litauische Staatsbürger ab 18 Jahren. Um gewählt zu werden, muss man 25 Jahre alt sein.
Namibia: Verhältniswahlrecht
In Namibia steht am 27. November 2024 gemeinsam mit dem oder der Staatspräsident
auch die Nationalversammlung, die erste Kammer des Parlaments, zur Wahl. 96 Sitze werden für eine Legislaturperiode von fünf Jahren direkt gewählt. In der Nationalversammlung gibt es acht weitere, nicht stimmberechtigte Mitglieder, die von dem oder der Präsident
ernannt werden. Gewählt wird nach dem Listenwahlrecht in 121 Wahlkreisen. Die Sitze werden dem Anteil der Stimmen entsprechend auf die Parteien aufgeteilt. In Namibia arbeitet man dafür mit einer Wahlzahl, die wie in Österreich berechnet wird, indem die Anzahl der abgegebenen Stimmen durch die zu vergebenden 96 Sitze dividiert wird. Jene Sitze, die im ersten Berechnungsverfahren nicht vergeben wurden, gehen an die Parteien entsprechend dem größten Rest an Stimmen. Wählen dürfen Staatsbürger ab 18 Jahren. Wähler müssen sich vorab registrieren. Ins Parlament einziehen darf man ab 21 Jahren.
Herausgeber / Quelle: Parlamentskorrespondenz Österreich ¦
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