DMZ – WISSENSCHAFT ¦ Sarah Koller ¦
Myalgische Enzephalomyelitis / Chronisches Erschöpfungssyndrom (ME/CFS) ist eine komplexe Erkrankung, die sich durch tiefe Erschöpfung, postexertionale Malaise (PEM) und neurokognitive Dysfunktion auszeichnet.
Immunologische Dysregulationen und gastrointestinale Symptome sind bei ME/CFS-Patienten häufig zu beobachten. Obwohl etwa 0,89% der allgemeinen Bevölkerung betroffen sind, bleiben die zugrunde liegenden pathophysiologischen Mechanismen weitgehend unverstanden. Ziel dieser Studie war es, die Beziehung zwischen immunologischen Merkmalen und der Darmbarrierefunktion bei ME/CFS-Patienten zu klären. Die Patienten wurden anhand ihrer Immunkompetenz in zwei Gruppen unterteilt. Nach der detaillierten Dokumentation der Krankengeschichten wurden Serum- und Plasmaproben gesammelt, um inflammatorische Immunmediatoren und Biomarker für die Integrität der Darmbarriere mittels ELISA zu bewerten.
Die Ergebnisse zeigten reduzierte Komplementprotein-C4a-Spiegel bei immunodefizienten ME/CFS-Patienten, was auf eine spezifische Störung des angeborenen Immunsystems hinweist. ME/CFS-Patienten ohne Immundefizienz zeigten hingegen eine Barriereleckage der Schleimhaut, wie durch erhöhte Lipopolysaccharid-bindende Protein (LBP)-Werte angezeigt. Die Stratifizierung der ME/CFS-Patienten nach Immunkompetenz ermöglichte die Unterscheidung von zwei Untergruppen mit unterschiedlichen pathophysiologischen Mustern.
Die Studie unterstreicht die Bedeutung einer präzisen Patientenstratifizierung bei ME/CFS, insbesondere im Hinblick auf die Definition geeigneter Behandlungsstrategien. Angesichts der erheblichen gesundheitlichen und sozioökonomischen Belastungen im Zusammenhang mit ME/CFS sind dringend Aufmerksamkeit und Forschungsanstrengungen erforderlich, um kausative Behandlungsansätze zu definieren.
ME/CFS ist eine multifaktorielle Erkrankung, die mit einer tiefgreifenden und beeinträchtigenden Erschöpfung von mehr als sechs Monaten Dauer einhergeht. Neben immunologischen Dysregulationen werden auch Autoimmunität oder Immundefizienzen häufig bei ME/CFS-Patienten beobachtet. Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie könnten zu einer Verdopplung der ME/CFS-Patientenzahl führen, was die Dringlichkeit weiterer Forschungsbemühungen verdeutlicht. Die Parallelen zwischen ME/CFS und Long-COVID legen nahe, dass die Erforschung von Long-COVID wichtige Erkenntnisse für ME/CFS liefern könnte.
Trotz des Mangels an Biomarkern und einheitlichen Behandlungsansätzen bleibt ME/CFS eine Herausforderung für Patienten und Forscher gleichermaßen.
Die vorliegende Studie bietet Einblicke in die immunologische und mukosale Barrierenfunktion bei einer österreichischen ME/CFS-Kohorte. Das Verständnis der Immunfunktionsstörung und des Einflusses verwandter Faktoren wie Immundefizienzen und mukosaler Barrierestörungen kann zu gezielten Interventionen und Therapien führen, um Symptome zu lindern und die Patientenergebnisse zu verbessern. Zukünftige Forschungsbemühungen sollten darauf abzielen, die verschiedenen pathophysiologischen Muster innerhalb von ME/CFS-Patientengruppen zu charakterisieren und die Grundlage für personalisierte Behandlungsansätze zu schaffen.
Die vorliegende Studie zeigt, dass die Patientenstratifizierung nach Immunkompetenz entscheidend ist, um unterschiedliche pathophysiologische Muster bei ME/CFS zu identifizieren. Diese Erkenntnisse könnten dazu beitragen, zielgerichtete Behandlungsstrategien zu entwickeln und die medizinische Versorgung von ME/CFS-Patienten zu verbessern.
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