DMZ – BLICKWINKEL ¦ Ruedi Stricker ¦
Es war keine gute Idee, und sie war auch nicht von mir. Vermutlich war sie von René. Am Schluss dieser Expedition würde er auch allen Grund haben, sich wie neugeboren zu fühlen.
Der Dritte im Bunde war jener Rheintaler, der immer dabei war, wenn es nicht um Hausaufgaben oder andere unangenehme Dinge ging. Das Objekt unserer Neugierde war jener Teil des Bachs, der im Bereich des Dorfs in einer geheimnisvollen, unterirdischen Betonröhre gefasst war. Niemand war je dort unten gewesen, und keinem normalen Menschen würde es in den Sinn kommen, dorthin zu gehen.
Es ist ein unangenehmes Gefühl, wenn sich die Stiefel langsam füllen und der Wasserpegel sich dem Unterleib nähert. Aber man gewöhnt sich daran – immerhin ist die Röhre nur zu einem Drittel mit Wasser gefüllt und verwöhnt uns also mit genügend Frischluft. Auch die Dunkelheit macht uns kaum zu schaffen, da der Vorausgehende – bzw. -kriechende im Besitz einer Militärtaschenlampe ist. Wir kommen also recht gut voran, verlieren allerdings bald jegliches Gefühl für die noch zurückzulegende Distanz.
Als die Lampe ins Wasser fiel, wurde alles anders. Es wurde schlagartig dunkel. Und als ob das nicht genügt hätte, stieg auch noch der Wasserspiegel. Aus einem Zuflussrohr entströmte nicht nur ein lautes Rauschen, sondern offensichtlich eine erhebliche Menge Wasser. Als dem Rheintaler auch noch etwas Halbfestes in die Hände gelangte, meinte er, es handle sich wahrscheinlich um einen Darm oder so. Abwegig war das nicht; immerhin vermuteten wir zu Recht, dass wir uns Bereich der Metzgerei befanden. Wir badeten also in Wasser, Blut und tierischen Leichenteilen.
Trotz der ausbrechenden Panik kamen wir irgendwie am oberen Eingang der Röhre wieder ans Tageslicht. Praktisch unverletzt, sauber gewaschen, mit grosser Sehnsucht nach trockenen Kleidern und einem warmen Ofen. «Wir müssen uns jetzt zusammenreissen und warten, bis wir trocken sind. Wenn wir jetzt in diesem Zustand nach Hause gehen, gibt's ein Donnerwetter. Wenn wir zwei Stunden warten, sind sie froh, dass wir noch leben.» Er hätte Psychologie studieren sollen.
Ausflugstipps
Unterstützung
Damit wir unabhängig bleiben, Partei für Vergessene ergreifen und für soziale Gerechtigkeit kämpfen können, brauchen wir Sie.
Rezepte
Persönlich - Interviews
Kommentar schreiben