DMZ – POLITIK ¦ Dirk Specht ¦
KOMMENTAR
Sehr geehrter Herr Merz,
dass Sie die geltenden Regeln der Buchführung in Deutschland durchsetzen, kann man nur begrüßen. In Ihrer Kommunikation wäre es wünschenswert, wenn Sie dabei die Buchhalter klarer adressieren würden und dabei auch die der eigenen Partei in den Ländern einbeziehen. Ebenso wäre es sachgerechter, dabei, wie das von Ihnen bemühte Verfassungsgericht, bei den Grundsätzen der Buchführung zu bleiben und nicht dauernd das „Klima“ zu zitieren, zu dem besagtes Gericht Ihnen übrigens nicht nur widersprechen würde, sondern bereits widersprochen hat.
Sie zeigen nun aber vor allem, dass Sie in der Lage sind, ein Land vollständig zu bremsen. Das ist für die Spitzenpolitik Ihrer Partei in den letzten Dekaden nicht neu. Frühere Vorsitzende der Union, auf die sie sich gerne berufen, da Ihre Vorgängerin Ihnen nicht in bester Erinnerung ist, hatten ihre Rolle anders interpretiert. Neu ist jedoch, dass so eine Vollbremsung in einer komplexen Multikrise vorgenommen wird. Das hatte sogar besagte Vorgängerin bedarfsweise anders gemacht.
Eine Stilfrage ist übrigens, ob man sich in dieser Krisenlage, über die manche, das sei Ihnen versichert, sich erhebliche Sorgen machen, von Unternehmern über Unternehmerinnen bis zu Bürgern und Bürgerinnen, so erkennbar erfreut und – meine Wahrnehmung – triumphierend in der Öffentlichkeit präsentieren sollte. Auch da hatten Ihre Vorgänger und Vorgängerinnen etwas mehr Rücksicht bezüglich solcher Dinge wie Staatsräson, Würde und Benehmen gezeigt.
Aber wir wollen natürlich nicht über Stilfragen streiten, es geht selbstverständlich nur um die Sache. Schließlich ist ja Krise. Zur Sache hätte ich den Hinweis, dass Ihr Nachweis, ein Land bremsen zu können, nun wohl weitgehend als unstrittig gegeben akzeptiert wird. Interessant wäre nun der Versuch Ihrerseits, die Kompetenz nachzuweisen, wie man ein Land bewegen, bestenfalls sogar beschleunigen kann, im Idealfall in eine Richtung, die man mit Begriffen wie Fortschritt oder gar Moderne versehen könnte?
Nur zur Klarstellung möchte ich ergänzen, dass Zahnarzttermine nicht gemeint sind, wir sollten geringfügig weiter denken. Ich hätte daher einen Vorschlag für ein erstes praktisches, derzeit gar nicht mal so vollkommen unnützes Projekt, das Ihnen sogar sehr entgegen kommen sollte: Fangen Sie doch mal mit der Konzeption einer modernen Finanzpolitik an, zumal Sie die als eine Ihrer Kernkompetenzen bezeichnen?
Unterstützung könnten Sie in sogar älterer Fachliteratur der Investitionsrechnung finden. Daraus kann man ableiten, dass ein Investitionsrückstau ein verstecktes Insolvenzrisiko ist, weshalb man Unternehmen auferlegt hat, solche Lücken in ihren Büchern auszuweisen. Bei modernerer Literatur zur strategischen Unternehmensführung finden Sie Hinweise, dass es ein Fehler ist, Investitionen zu unterlassen, die zukünftige Ersparnisse oder zusätzliche Einnahmen ermöglichen. Das Insolvenzrisiko ist dabei bereits länger bekannt, bei der strategischen Unternehmensführung wird aber gut herausgearbeitet, das sich meist ein Wettbewerber findet, der diese Fehler nicht begeht und dadurch die eigene Insolvenz sogar beschleunigen könnte. Im auch von Ihnen gerne so bezeichneten „Rest der Welt“ finden sich davon sehr wahrscheinlich und keineswegs zufällig sogar mehrere.
„Ihre“ und leider auch „meine“ Industrie denkt schon darüber nach, auch das sei Ihnen versichert!
Die ersten Kapitel solcher Bücher wären übrigens schon vollkommen ausreichend, das sollte Ihr Terminkalender trotz der vielen Erfolgsreden vielleicht erlauben. Wahlweise kann Ihnen das aber auch jeder Unternehmer, der länger als fünf Jahre aktiv ist, nebenbei erklären. Das ginge schneller.
Mit vorzüglicher Hochachtung (so schreibt man das doch?)
Autor nach „Posten“ in Deckung gegangen.
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