DMZ – BLICKWINKEL ¦ Patricia Jungo ¦
Und wenn gerade Stille die schönsten Geschichten erzählen würde? Mit der Frage, ob Stille vielleicht doch hörbar ist, haben sich US-Forscher in einer Reihe von Experimenten beschäftigt. Eigentlich ist klar, dass unter Stille die Abwesenheit von Lauten, Tönen oder Geräuschen verstanden wird.
Wenn es still ist, kann man auch nichts hören. Laut drei Forschern von der Johns Hopkins University in Baltimore lässt sich über diese Frage aber sehr wohl streiten. Nach einer Reihe von Experimenten konnten der Philosoph Rui Zhe Goh und seine Kollegen nun aufzeigen, dass die Abwesenheit von Geräuschen vom Menschen ähnlich verarbeitet wird wie die Geräusche selbst. Für die Forscher ist dies ein Hinweis darauf, dass Stille durchaus hörbar ist. Laut Bericht der Forscher in den »Proceedings of the National Academy of Sciences«, orientierten sie sich an bekannten Experimenten, die akustische Wahrnehmungsverzerrungen hervorrufen.
Wie der Psychologe und Koautor Chaz Firestone, der das Johns Hopkins Perception & Mind Laboratory leitet, in einer Pressemitteilung erläutert, ist die Idee dahinter folgende: »Wenn man mit Stille die gleichen Täuschungen erzielen kann wie mit Geräuschen, dann könnte das ein Beleg dafür sein, dass wir Stille tatsächlich hören«. Den rund 1000 Versuchspersonen wurden zu diesem Zweck kurze Tonbandaufnahmen vorgespielt wie beispielsweise Geräuschkulissen von belebten Restaurants, Märkten und Bahnhöfen.
Wie in einem Beispiel auf Youtube beobachtet werden kann, verstummten in einer der Versuchsvarianten die Geräusche kurz und abrupt, zunächst über einen durchgehenden Zeitraum und später über zwei kurz aufeinanderfolgende Sequenzen. Die Unterbrechungen hatten insgesamt die gleiche Länge, unabhängig davon, ob es eine oder zwei waren. Der durchgehende Moment der Stille wurde von den Versuchspersonen als länger empfunden als die beiden kurzen Momente zusammen. Dies ist zu vergleichen mit der bekannten „One-is-more-illusion“, wo ein langer Piepton länger scheint als zwei kurz aufeinander folgende, die aber in der Summe gleich lang sind. Auch zwei weitere abgewandelte Hörexperimente zeigten ähnliche Ergebnisse. So traten die Wahrnehmungsverzerrungen, deren Auslösen eigentlich ausschliesslich Geräuschen zugeschrieben wurde, ebenfalls bei Stille auf.
Für die Forscher ist dies ein Hinweis darauf, dass Stille auch ein Hörereignis darstellt, indem sie vom auditiven System gleich verarbeitet wird wie ein akustisches Signal und demnach in der Tat auch die Abwesenheit von Geräuschen hörbar ist. Die Forscher wollten weiter feststellen, ob Stille auch ohne direkt vorausgehenden oder nachfolgenden Ton hörbar ist. Dies, um zu testen, ob womöglich die Stille nur zu einem eigenen Hörereignis wird, weil sie die Geräusche unterbricht und so einen Objektcharakter erhält - wie es auch bei der herkömmlichen „One-is-more-illusion“ eine Kernrolle spielt. Zurzeit fehlt jedoder klare Beweis dafür noch, dass Stille an sich hörbar ist. Es bleibt also spannend.
Quelle
±spektrum.de±
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