Die Putinisierung des Johannes Rauch

DMZ –  POLITIK ¦ Christian Klosz ¦                                           

KOMMENTAR

 

Er hat es geschafft: Vom kleinen Rankweil im winzigen Vorarlberg aus zum GRÖGAZ, dem größten (österreichischen) Gesundheitsminister aller Zeiten. Nein, das ist keine billige Polemik, sondern das Selbstverständnis des grünen Ministers Johannes Rauch, der kürzlich die (Twitter-)Welt in der ihm eigenen Bescheidenheit wissen ließ, dass er in seinem Ministerium "in einem Jahr mehr zustande gebracht, als manch roter Minister in 5 Jahren" habe. Warum ist sich Rauch da so sicher? Weil das "O-Ton" in "seinem Haus", dem BMSGPK sei.

 

Was soll man dagegen sagen? Der Hannes, der kannes einfach. Und dass er ein Ministerium, das per definitionem der Bevölkerung "gehört", die ihr politisches Personal durch Steuern finanziert, in dem die meiste Arbeit durch Beamte und Beamtinnen verrichtet wird und das kein Ein-Mann-Unternehmen ist als "sein Haus" betrachtet: Geschenkt. Wie es einem Politiker von dieser Bedeutung, von über-menschlicher Größe und Talent gebührt, sprach Rauch von sich in der dritten Person, selbstverständlich. Hier der gesamte Originaltweet, zum Beleg, dass dies hier keine Satire ist:

 

Screenshot vom 4.6.2023 / Twitter
Screenshot vom 4.6.2023 / Twitter

Ist das noch narzisstische Selbstüberschätzung eines nach Bestätigung Hungernden, dem seine Bedeutungslosigkeit und sein zukünftiges, wenig ruhmreiches Schicksal in den Geschichtsbüchern unbewusst bewusst ist? Oder schon pathologischer Größenwahn? Man weiß es nicht, und natürlich sind das nur Ferndiagnosen, die man nicht anstellen sollte. Andererseits: Wir sind ja nicht in den USA, und Goldwater erwies sich schon bei Rauchs Seelenverwandtem Donald Trump als kontraproduktives Relikt aus der Vergangenheit. Obiger Tweet ist inzwischen übrigens verraucht, sprich: Gelöscht. Ob das des Ministers Social Media-Team war, das (wieder einmal) in höchster Not eingreifen musste, oder er selbst, ist nicht bekannt.

 

Wie kommt nun ein kleinbürgerlicher Rankweiler Schuldnerberater zu so viel Macht und Bedeutung? Er ist das offensichtlichste Symbol des Zerfalls eines politisches Systems, einer Demokratie, einer Gesellschaft, einer Solidargemeinschaft, die in Österreich zu beobachten ist. Rauch wurde zum Posterboy unterdurchschnittlicher und talentloser politischer Vertreter und Vertreterinnen, die ihren Mangel an (Fach)Wissen, Herz, Hirn und moralischem Bewusstsein wahlweise durch billigsten Populismus, dämonische Demagogie oder Selbstüberhöhung wettmachen müssen.

 

Das Zerfalls-Syndrom ist bei vielen derzeitigen österreichischen Ministerinnen und Ministern der schwarz-grünen Regierung (vom Kanzler abwärts) zu beobachten, die Klügeren und Begabteren unter ihnen passten sich mit der Zeit dem steil nach unten rasselnden Niveau der Minister-Mehrheit an. Doch während andere sich, ihre Unwissenheit und Überforderung verstecken, indem sie einfach von der politischen Bildfläche verschwinden (Paradebeispiel: Bildungsminister Martin Polaschek), lebt Johannes Rauch ein "Jetzt erst recht!". Seine Partei scheint wohlwissend Augen, Ohren und Mund geschlossen zu halten, um sich nicht mit dem heimlichen Parteichef anzulegen, der seinen Weg unbeirrt weitergeht, koste es, was es wolle (und im Zweifelsfall auch Menschenleben).

 

Aus der bereits bekannten Trumpisierung Rauchs wurde unlängst eine Putinisierung, denn der zu belächelnde Größenwahn steigerte sich zu autokratischen Zuckungen dergestalt, dass Rauch ab Ende Juni die Veröffentlichung der Corona-Daten in Österreich einstellen will. Stattdessen sollen im August Daten über "Atemwegserkrankungen" erscheinen. Was das mit der Krankheit Covid-19, die bekanntlich eine Gefäßerkrankung und keine Atemwegserkrankung ist, zu tun hat, weiß man nicht.

 

Schlimmer als dieser erneute Beweis von Rauchs offener Wissenschaftsfeindlichkeit (oder ignoranter Uninformiertheit) wiegt der Grund für das Vorgehen: Schon bisher lieferte sich der Minister auf Twitter bisweilen erratische Duelle mit Kritikern, Experten, Wissenschaftlern, die seine kruden Aussagen und Behauptungen widerlegten. Obiger Tweet war ebenso ein Resultat der Konfrontation mit Daten, Fakten und Kritik. Genüg(t)en die verbalen Ausritte nicht mehr, blockt(e) Rauch wild durch die Gegend, oft ohne jeglichen ersichtlichen Grund und einzig, weil er mit Kritik konfrontiert ist, auf Daten und Studien hingewiesen wird oder ihn von seiner Politik Betroffene auf ihr Schicksal hinwiesen. Die Twitter-Blockierung einer ME/CFS-Patientin, die Rauch auf ihre missliche Lage aufmerksam machte, war der bisher traurige Tiefpunkt dieser Entwicklung. (Patho-)Logisch bleibt das Vorgehen natürlich: Kritik passt nicht zum Selbstbild des grünen Supermanns.

 

Die Kritiker und Kritikerinnen beriefen sich nicht selten auf die öffentlich zugänglichen und von Rauchs Ministerium selbst veröffentlichten Corona-Daten, die zuweilen ein ganz anderes Bild der Pandemie zeichnen, als der Medizinmärchenminister gerne erzählt. Wie kann man diesen lästigen Kritikern, die so dreist sind, auf Fakten und Evidenzen zu bestehen, den Wind aus den Segeln nehmen? Richtig: Indem man ihnen einfach die Daten wegnimmt, mit denen sie das eigene Versagen belegen können - so oder so ähnlich muss der Gedankengang des gerissenen Politikers gewesen sein, der somit gleich drei Fliegen mit einer Klappe schlagen kann:

Kritikern die Grundlage ihrer Kritik entziehen und sie so zum verstummen bringen;

Die grandiose Erzählung des Rankweilers, der auszog, um die Welt zu erobern, weiterspinnen zu können;

Die Pandemie in Österreich (ein Oxymoron; Herr Minister, falls Sie das lesen und nicht wissen, was das ist: Googeln hilft immer) aber wirklich und endgültig für alle zu beenden. Denn wenn es keine Zahlen und Daten zu Corona mehr gibt, existiert es nicht mehr. Einfach genial, oder?

 

 

 

Zuschriften gerne an: christian.klosz@gmx.net

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