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Merz fordert, Habeck solle nicht mehr für Energiepolitik zuständig sein

DMZ –  POLITIK ¦ Dirk Specht ¦                                 

KOMMENTAR 

 

Wir werden vor der wichtigen Landtagswahl in Niedersachsen wohl keine Besserung sehen. Immerhin ist danach länger Pause, dann wird hoffentlich regiert und opponiert statt billig schwadroniert.

 

Wie immer kommen bei der Art politischer „Straßenarbeit“ richtige und falsche Dinge zusammen. Kluger Schachzug von Merz, die Richtlinienkompetenz des Kanzlers einzufordern. Vollkommen richtig zudem, denn wenn zwei Minister offen über zweitrangige Maßnahmen streiten, zugleich wichtigere liegen bleiben, ist der Kanzler gefordert. Deshalb dem Ressort Habeck irgendetwas zu entziehen, ist weder sachgerecht, noch irgendwie sinnvoll oder notwendig. Die seit Monaten von Merz vorgetragenen „Argumente“, man müsse endlich mit der Gasverstromung aufhören, werden durch Wiederholung nicht besser. Er dürfte – hoffentlich – gut genug informiert sein, um zu wissen, dass es technisch nicht möglich ist und ganz im Gegenteil wegen der Stromlage in Frankreich und der Schweiz sogar in die andere Richtung geht. Immerhin überlässt er inzwischen eher den Lautsprechern der zweiten Reihe die Rolle, zu behaupten, Laufzeitverlängerungen von derzeit produzierenden Atomkraftwerken würden das alles viel besser machen.

 

Der als politischer Gegner identifizierte und heftig unter Beschuss stehende Habeck steht vor der unglücklichen Aufgabe, die misslungene, aber vollkommen sinnvolle Gasabgabe zu verteidigen. Sein Hinweis, es sei wichtig, die steigenden Gaspreise im Markt einigermaßen gleich zu verteilen, ist erstens richtig und zweitens von allen Kritikern unbeantwortet. Lediglich von Lindner hört man dazu, das sei mit Steuermitteln besser lösbar. Mag sein, aber die Frage, ob es richtig ist, damit auch die Industrie durch Steuermittel zu stützen und hier gerade die besonders großen Gasverbraucher, beantwortet er nicht. Die Industrieverbände, die diese Steuerlösung sehr laut fordern, beantworten das natürlich auch nicht.

 

Habeck schimpft derweil über Trittbrettfahrer, die der Entwurf seines Hauses aber leider eingeladen hatte und nennt nun viele Ziele, wie man die los werden könne – eine Lösung bisher nicht. Dass er in dem Zusammenhang erwähnt, die Gasumlage sei noch das kleinste Problem, gehört wiederum zu den richtigen Hinweisen in diesem Wahlkampfgetöse zur Unzeit – aber wie wäre es denn mal mit den größeren Problemen?

 

Dazu hört man nämlich wenig und dieses wenige ist nicht ermutigend. So geht es im kurzfristigen Krisenmodus natürlich vor allem um starke Signale und konkrete Maßnahmen, wie die Menschen, die ihre Energierechnungen nicht mehr bezahlen können und die nach geltender Rechtslage sogar bis zu Kündigungen ihrer Wohnung zu befürchten haben, statt berechtigter Existenzängste zumindest mal etwas Sicherheit für das erhalten, was bei uns grundgesetzlich verankert ist: Die Existenzsicherung zumindest im definierten Rahmen von dessen Minimum, welches der Staat sicherzustellen hat. Dazu gibt es beispielsweise die Idee eines Moratoriums von Kündigungen durch Versorger und Vermieter. Die Verbraucherschutzministerin will das, der Justizminister will es nicht, der Kanzler hat sich nicht positioniert und außer diesem Ideenstreit ist nichts bekannt. Statt dessen soll eine Wohngeldreform das alles lösen, aber dazu hat außer der Ankündigung – dieses Mal durch den Kanzler – keiner was genaueres gehört. Der Regierung sollte bewusst sein, dass die allermeisten der Betroffenen bisher von Wohngeld gar nichts wissen und in dem Mechanismus auch gar nicht vorgesehen sind. Könnte passieren, dass wir bald mal wieder viele Milliarden im Haushalt finden, um bereits einer schwer definierten Zielgruppe zu helfen – und am Ende unter Anderem die Kontoverbindungen fehlen.

 

Während viele Haushalte also weiter bangen, ob sie durch den nächsten Winter kommen, sehen wir als eine ganz wesentliche Ursache durchdrehende Energiebörsen, die eben jene Preise diktieren, die uns diese Sorgen bereiten. Tatsächlich haben wir eine Knappheit an den Gasmärkten, die wir monatlich besser in den Griff bekommen und wir haben eine sehr selektive Knappheit im europäischen Stromsektor, die sich de facto durch Produktionskapazitäten kompensieren lässt. Ja, dazu muss Gas verstromt werden, ja, dazu muss Kohle verstromt werden, richtig, dazu muss vermutlich wegen des Niedrigwassers sogar Kohle per Bahn transportiert werden, korrekt, es wird sehr wahrscheinlich im Stresstest heraus kommen, dass man 6% Kernkraft mitten im Winter besser mal nicht raus nimmt – und vieles mehr, was wir an Problemen, aber eben auch Lösungen täglich lesen.

 

Deshalb eskaliert der Gaspreis um teilweise Faktor zehn? Als ob es weder Lösungen, noch Gas auf dem Planeten gebe? Deshalb folgt der Strompreis bereits jetzt mit Faktor zwei, läuft auf Faktor drei zu?? Als ob das europäische Stromnetz vor einem Kollaps stehe??

 

Die genauen Ursachen im Detail werden gewiss später mal erforscht und dann wird es Analysen geben, welche Preisanteile auf reale Knappheiten entfallen und welche auf ein definitiv festzustellendes Marktversagen. Dass es letzteres gibt, erkennt man natürlich an der Kombination aus eskalierenden Preisen und ebenso eskalierenden Gewinnen sehr weniger Akteure an den Märkten. Funktionierende Märkte dienen aber genau dem Gegenteil, nämlich der Bildung fairer Preise und der angemessenen Verteilung von Vorteilen zwischen Anbietern und Nachfragern.

 

Die europäischen Energiebörsen sind eine Fehlkonstruktion. Vollständig. Sie waren nie für die Kompensation von exogenen Schocks konstruiert und das ist ein eklatanter Mangel, denn gut regulierte Märkte werden explizit für den Fall von schwierigen Bedingungen konzipiert und eben nicht unter genau der gegenteiligen Voraussetzung, dass alles wunderbar in Balance ist.

 

Diese Themen liegen ebenfalls auf allen Tischen und es ist auch allen klar, dass genau diese eigentlich relevant sind. Es geht nun leider darum, wie wir mit den Preisen zurecht kommen, keine Frage. Aber entscheidend ist, wie wir diese kranken Preisexzesse bändigen können. Dazu kommen aus den Ministerien in Berlin nur ganz leise und aus Brüssel nur ganz grundsätzliche Aussagen. Leider ist daraus nur zu schließen, dass die Themen bekannt sind. Details hören wir nicht und leider muss man mit etwas Erfahrung in der politisch/administrativen Kommunikation davon ausgehen, dass wir hier von einem Reformprozess der Regulierung sprechen, für den man sich mehrere Jahre Zeit lassen möchte.

Die haben wir nicht!

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