DMZ – WISSENSCHAFT / MM ¦ Sarah Koller ¦
Forschende der ETH Lausanne und des Paul Scherrer Instituts PSI haben die chemische Zusammensetzung und die Herkunft sowohl natürlicher als auch menschengemachter Aerosole in einem Gebiet untersucht, das sich von Russland bis Kanada erstreckt. Ihre Ergebnisse liefern einzigartige Erkenntnisse, die der Wissenschaftsgemeinde helfen, den Klimawandel in der Arktis besser zu verstehen und wirksame Massnahmen zur Verringerung der Verschmutzung zu entwickeln. Möglich wurde diese Arbeit durch die Kooperation von Forschenden aus drei Kontinenten.
Die winzigen, in der Luft schwebenden Partikel namens Aeorosole spielen eine wichtige Rolle bei der Erwärmung und Abkühlung unseres Planeten, aber ihre Auswirkungen sind noch immer nicht vollständig geklärt. Diese Teilchen können in der Natur vorkommen und stammen dann beispielsweise aus Vulkanen, Wäldern und Ozeanen. Oder sie entstehen durch menschliche Aktivitäten zum Beispiel in der Industrie und durch die Nutzung fossiler Brennstoffe. Sie interagieren mit der Sonnenstrahlung, indem sie diese entweder in den Weltraum reflektieren und so die Temperatur der Erde senken, oder sie absorbieren die Sonnenstrahlung und erhöhen die Temperatur. Sie sind auch wesentlich für die Bildung von Wolken, die ebenfalls eine Rolle bei der Abkühlung oder Erwärmung des Planeten spielen, indem sie die Sonnenstrahlung in den Weltraum zurückstrahlen oder die Abstrahlung der Erde wieder auf die Erde zurückwerfen. Die Wolkenbildung in der Arktis ist besonders empfindlich in Bezug auf Aerosole.
Um einen tieferen Einblick in diese Zusammenhänge zu gewinnen, analysierten Forschende des Forschungslabors für extreme Umweltbedingungen, das an der ETH Lausanne (EPFL) von Julia Schmale geleitet wird, und des PSI-Labors für Atmosphärenchemie unter der Leitung von Imad El Haddad über mehrere Jahre Proben von acht Forschungsstationen, die die gesamte arktische Region abdecken. Die Arktis ist für das Verständnis des Klimawandels von entscheidender Bedeutung, da die Temperatur dort zwei- bis dreimal schneller ansteigt als auf dem Rest des Planeten. «Wenn wir wissen, welche Art von Aerosolen in verschiedenen Gebieten und zu verschiedenen Jahreszeiten vorhanden ist und welchen Ursprung und welche Zusammensetzung diese Aerosole haben, können wir besser verstehen, wie sie zum Klimawandel beitragen», sagt Schmale. «Das wird uns auch helfen, gezieltere Massnahmen zur Verringerung der Verschmutzung zu entwickeln.» Die Studie wurde von Vaios Moschos im Rahmen seiner Doktorarbeit durchgeführt, die von Schmale und El Haddad gemeinsam betreut wurde.
Im Winter dominiert der menschliche, im Sommer der natürliche Anteil
In einer ersten Studie untersuchten die Forschenden gezielt organische Aerosole. Über diese Aerosole liegen bislang noch wenig Daten vor, obwohl sie nahezu 50 % des gesamten Feinstaubs ausmachen. Die Forschenden analysierten in dieser Studie die chemische Zusammensetzung von Proben, die in der Arktis genommen wurden, und stellten fest, dass im Winter die meisten der Aerosole auf menschliche Aktivitäten zurückzuführen waren. Sie führen dies auf den arktischen Dunst zurück, der jedes Jahr auftritt, wenn Emissionen aus der Ölförderung und dem Bergbau in Nordamerika, Osteuropa und Russland in die Arktis getragen werden und sich dort während des Winters festsetzen.
Für den Sommer hingegen ergab die Studie, dass die meisten organischen Aerosole aus natürlichen Quellen stammen. Das liegt daran, dass der Transport von anthropogenen Aerosolen aus den mittleren Breiten in die Arktis während der wärmeren Monate abnimmt und die Emissionsrate biogener Aerosole oder ihrer Vorläufer in den hohen Breiten ansteigt. «Wir haben nicht erwartet, dass wir so viele natürlich vorkommende organische Aerosole sehen würden», sagt Schmale. «Diese Partikel stammen sowohl aus borealen Wäldern als auch aus Phytoplankton, einem Mikroorganismus, der in den Ozeanen lebt. Hier sehen wir wohl eine Folge der globalen Erwärmung: In dem Masse, in dem sich die Wälder nach Norden ausdehnen und der Permafrostboden auftaut, können mehr organische Moleküle vom Land freigesetzt werden; und wenn sich das Meereis zurückzieht, ergibt sich mehr offener Ozean und somit Platz für mikrobielle Emissionen.»
Rolle des schwarzen Kohlenstoffes im Klimawandel
In einer weiteren Studie verwendeten die Forschenden der EPFL und des PSI die gleichen Proben, analysierten aber die Zusammensetzung und Herkunft aller Aerosole, also sowohl der organischen als auch der anorganischen. Unter den anorganischen Aerosolen fanden sie unter anderem schwarzen Kohlenstoff, Sulfat und Meersalz. Besonders der Schwarze Kohlenstoff weckte ihre Aufmerksamkeit, da bekannt ist, dass er die Sonnenstrahlung absorbiert und zur globalen Erwärmung beiträgt. «Wir wussten, dass der Ausstoss von schwarzem Kohlenstoff in Regionen mit Öl- und Gasförderanlagen hoch ist, aber wir hatten keine parallelen Messungen in der gesamten Arktis, um zu verstehen, wie gross ihr Einflussbereich ist», sagt Schmale. «Dank der in dieser Studie gesammelten Daten waren wir in der Lage, die Konzentrationen und die Herkunft von schwarzem Kohlenstoff in jeder arktischen Region über das ganze Jahr hinweg zu kartieren und die am besten geeigneten Massnahmen zu empfehlen.»
Die Forschenden konnten die Studien dank einer einzigartigen Gemeinschaftsleistung durchführen, an der Forschende aus Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Indien, Italien, Kanada, Norwegen, Russland, Slowenien und den USA beteiligt waren. Die acht Forschungsstationen, an denen die Proben gesammelt wurden (siehe Liste unten), werden von Forschungsgruppen aus verschiedenen Ländern betrieben. Die Proben wurden in den beiden Laboren in der Schweiz analysiert. El Haddad erklärt: «Die Analyse organischer Aerosole erfordert Massenspektrometer, also teure, hoch entwickelte Instrumente, sowie geschulte Fachleute. Auch deshalb haben wir noch wenig Daten aus der Arktis zu diesem Thema. Unser Labor steht an der Spitze der Forschung über organische Aerosole und ihre Herkunft.»
Die Proben wurden an den folgenden Forschungsstationen entnommen:
Alert, Kanada
Baranova, Russland
Gruvebadet, Norwegen
Pallas, Finnland
Tiksi, Russland
Utqiagvik, USA
Villum, Grönland
Zeppelin, Norwegen
Diese Forschung wurde finanziert durch:
Horizon 2020 Rahmenprogramm der Europäischen Union 231 über das ERA-PLANET (The European Network for observing our changing Planet) Projekt iCUPE 232 (Integrative and Comprehensive Understanding on Polar Environments) unter der Vertragsnummer 233 689443
Das Schweizer Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI; Vertrag Nr. 234 15.0159-1)
Das SNF-Stipendium für wissenschaftlichen Austausch «Source apportionment of Russian Arctic aerosols», 237 (SARAA; Nr. 187566)
Text: Erstellt auf der Grundlage einer Medienmitteilung der ETH Lausanne
Originalveröffentlichungen
Equal abundance of summertime natural and wintertime anthropogenic Arctic organic aerosols
V. Moschos, K. Dzepina, D. Bhattu, H. Lamkaddam, R. Casotto, K. R. Daellenbach, F. Canonaco, W. Aas, S. Becagli, G. Calzolai, K. Eleftheriadis, C. E. Moffett, J. Schnelle-Kreis, M. Severi, S. Sharma, H. Skov, M. Vestenius, W. Zhang, H. Hakola, H. Hellen, L. Huang, J. L. Jaffrezo, A. Massling, J. Nojgaard, T. Petaja, O. Popovicheva, R. J. Sheesley, R. Traversi, K. E. Yttri, J. Schmale, A. S. H. Prevot, U. Baltensperger, I. El Haddad
Nature Geoscience, 28. Februar 2022 (online)
DOI: https://dx.doi.org/10.1038/s41561-021-00891-1
Elucidating the present-day chemical composition, seasonality and source regions of climate-relevant aerosols across the Arctic land surface
V. Moschos, J. K. Schmale, W. Aas, S. Becagli, G. Calzolai, K. Eleftheriadis, C. E. Moffett, J. Schnelle-Kreis, M. Severi, S. Sharma, H. Skov, M. Vestenius, W. Zhang, H. Hakola, H. Hellen, L. Huang, J. L. Jaffrezo, A. Massling, J. Nojgaard, T. Petaja, O. Popovicheva, R. J. Sheesley, R. Traversi, K. E. Yttri, A. S. H. Prevot, U. Baltensperger, I. El Haddad
Environmental Research Letters, 28. Februar 2022 (online)
DOI: https://dx.doi.org/10.1088/1748-9326/ac444b
Herausgeber
Paul Scherrer Institutatische Sprache lässt sich aber auch auf andere physikalische Eigenschaften von Materialien übertragen. Quantenbits in topologischen Materialien wären dann topologische Qubits.
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