DMZ – WISSENSCHAFT ¦ Markus Golla ¦
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach verurteilte in einem Interview Gesundheitspersonal scharf, das die Impfung verweigere. Im Titel des Interviews heißt es „Lauterbach kritisiert
Pflegekräfte, die sich Impfung widersetzen“. Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) ist empört, dass Versäumnisse der Politik der Berufsgruppe angelastet werden.
Kurz vor Einsetzen der einrichtungsbezogenen Impfpflicht mehren sich die Befürchtungen, dass die pflegerische Versorgung durch Kündigungen nicht mehr gewährleistet werden könne. Dass jetzt
Einrichtungsträger Sorge haben müssen, nach Eintritt der Impfpflicht ihrem Versorgungsauftrag nicht mehr nachkommen zu können, zeigt laut DBfK, dass durch die langjährige Vernachlässigung der
Pflegeberufe ein ernsthaftes Gesundheitsproblem entstanden sein könnte. Die Verantwortung dafür hätte aber die Politik zu tragen, nicht einzelne Pflegende mit ihrem Impfverhalten. Der DBfK hatte
sich frühzeitig für die einrichtungsbezogene und sogar eine allgemeine Impfpflicht ausgesprochen und von Beginn an für die Impfung geworben.
Die Personalsituation in den Pflegeberufen ist aufgrund jahrzehntelanger Versäumnisse schon vor der Pandemie unzureichend gewesen. „Bei all den vergangenen Versuchen, dem Pflegenotstand etwas
entgegenzusetzen, war das Mittel der Wahl, möglichst viel Personal ungeachtet der Qualifikation einzusetzen“, so DBfK-Präsidentin Christel Bienstein. „Das führt zwangsläufig zu einer
Deprofessionalisierung, die offenbar politisch gewollt oder zumindest billigend in Kauf genommen wurde. Sich jetzt zu wundern, dass einzelne Mitarbeitende nicht den wissenschaftlichen
Erkenntnissen folgen, ist grotesk. Wenn der Minister das so sieht, sollte er schleunigst eine der zentralen Forderungen des DBfK und DPR umsetzen und für mehr Hochschulbildung in den
Pflegeberufen sorgen. Dass der Minister Pflegewissenschaft im Expertengremium nicht berücksichtigt hat, zeigt allerdings, dass er seinerseits pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen wenig Relevanz
beimisst. Schließlich trägt auch die Vernachlässigung pflegerischer Weiterentwicklung dazu bei, Patient:innen zu gefährden.“
Aktuelle Zahlen der Deutschen Krankenhausgesellschaft und des Robert Koch Instituts zeigen, dass die Impfquote unter den beruflich Pflegenden bei 95 Prozent in den Krankenhäusern und über 81
Prozent in den Pflegeeinrichtungen liegt.
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